Rally Stella Alpine 1994

Reisen, Berichte, Unterwegsfragen, Camping ...

Rally Stella Alpine 1994

Beitragvon Crazy Cow » 7. Februar 2007 20:39

Rally Stella Alpine 1994 - eine unendlich naive Geschichte in mehreren Akten

Nachdem ich 1993 mit Tommi seinen "Wing" ausgiebig im Odenwald ausprobiert hatte, es war noch der Prototyp, der an seine Seven-Fifty geschraubt war, stand eigentlich fest, dass meiner Güllepumpe ein ähnliches Schicksal widerfahren würde. Eine gemeinsame Tour war ausgemacht.
Während Horst (Räbiger) einen EML Mini an die CX schraubte, gurkte ich mit Tommis 300er MZ und dem typischen dritten Rad im Vogelsberg herum. Pünktlich zum Vatertag bekam ich meine Güllepumpe zurück und Tommi hatte auch schon eine Idee:
"Stella Alpine", sagte er, "muss man mal gemacht haben, wie das Nordkap."

Sicher warum nicht?

Als der Termin herannahte, schickte er mir ein Fax, damals noch auf Thermopapier.

"Bardonecchia" stand da. Ein paar geschwungene Pfeile dabei, Rhone-Tal und Aosta-Tal. Es hätte vielleicht auch kürzere Wege gegeben, aber ich dachte mir schon, dass da Berge dazwischen liegen und der Weg ist ja das Ziel.

Tommi wollte mit seiner Frau ein paar Tage eher los, in Frankreich noch Leute besuchen. Ich hatte ja mein Fax und rief ein paar Freunde an. Drei waren begeistert. Ingo hatte vor einem Jahr sein Rennrad gegen eine Suzuki VX 800 getauscht, und Norbert sich als Anfänger eine 850er Vierventiler BMW geleistet. Friedel hatte gar keinen Motorrad Führerschein, war aber dabei und fortan gern gesehener Gast in meinen diversen Seitenwagen. Ich fuhr immerhin schon über zwanzig Jahre. Ich schaute dann mal, ob ich Bardonecchia, den Ort mit dem wunderschönen Namen auf einer Karte fände. Es war gar nicht so leicht.

"Und Gespannfahrer," hatte Tommi gesagt, der selber erst seit zwei Jahren Dreirad fuhr, "haben auf Motorradtreffen immer was Gewaltiges dabei." Er wolle eine Bierzeltgarnitur und und das Holzportal von Kneissls Weizen mit nehmen. Leider reichte es nur für eine von zwei Sitzbänken, ob ich nicht noch ein paar Gartenstühle mitbringen könne?

Sicher, warum nicht?

Fünf Stück bekam ich zwischen Zugmaschine und Seitenwagen. Ich dachte dabei einige Male darüber nach, wo wohl Tommis Frau sitzen würde, kam aber zu keinem Schluss.
Der Rest der Packerei klappte ganz gut. Der EML Mini steckte daneben locker ein Zelt, zwei Schlafsäcke, zwei Reisetaschen, Stiefel und Regenkleidung, einen Kocher, Proviant, einen Reservekanister und einen Mitfahrer weg.
Frühstück am nächsten Morgen bei uns, gute Stimmung, Küsschen, Abschiedsfoto.

Der Tross lief ganz gut. Ich hatte Ingos Suzi mal gefahren. Ich fand sie sehr handlich, aber man zog sie sich an wie einen Schuh, entweder sie passte oder sie passte nicht. Mir passte sie. Ingo ist aber nochmal einen halben Kopf grösser als ich. Dazu hatte er einen Gleitschirm mit genommen, der hinter ihm eingerastet war. Seine eigentliche Motivation für die Mitfahrt. Er konnte nicht ohne Hilfe auf- und absteigen

Wir verliessen das Rhein Main Gebiet auf der Autobahn und ich nahm die Gelegenheit wahr, meine Gesellen bei dem lahmen Zock von allen Seiten zu betrachten. Lustig. Irgendwie müssen Friedel und ich auch so ausgesehen haben.

Ich vergass zu erwähnen, auch damals schon, dass die CX zwischen Volltanken und Umschalten auf Reserve einen Radius von 120km bot. Willkommene Kurzweil also, es war ja knallheiss. Es sollten sogar alle schweizer Alpenpässe frei gegeben werden an diesem ersten Juli-Wochenende.

Der erste Tankstopp war ok. Norbert sah etwas unruhig aus. Er hatte mit seiner neuen BMW einen Schuberth Klapphelm bekommen, eine Vollkörpermontur und adäquate Stiefel.
Irgendwie trug er alles nicht ganz geschlossen. Friedel hatte von seiner Frau einen neuen Helm verordnet bekommen, so gross war ihr Vertrauen in mich nun doch nicht. Ingo und ich trugen unbeabsichtigt Partnerlook: Shoei Jet Max und Goretex Jacke an Jeans und Halbschuhen.

Wieder auf der Autobahn nahmen wir uns einen Pulk Harley Fahrer vor. Custom Bikes, damals noch ein seltener Anblick. Norbert hatte es sich auf seiner BMW bequem gemacht, die Stiefel auf die Zylinder gelegt. Custom Biker, ein eben so seltener Anblick. Während wir vorbei fuhren und grüssten, flogen plötzlich nacheinander zwei kleine schwarze Teile von seiner BMW weg, eines links, das andere rechts. Er schien es nicht zu bemerken. Einige Harley Fahrer schon. Später stellte sich heraus, dass es die Plastik-Vergaserverkleidungen waren. Die Harleys waren laut. Ich habe die "Biker" nicht lachen hören können.

Beim zweiten Tankstopp platze es dann aus ihm heraus: "Ob es nicht langsam Zeit für Mittagessen wäre?"

Sicher, warum nicht?

Wir waren ja zum Spass unterwegs, nicht auf der Flucht. Wenngleich Friedel mich fragend anschaute. Er half manchmal bei mir aus und wir hatten bis dahin lange Tage immer mit je zwei Kannen Kaffee und zwei Schachteln Roth-Händle gut überstanden.

Wir waren einer Ausfahrt Titi-See gefolgt und hatten gehofft etwas lauschig rasten zu können.

Zwei Dinge werde ich dabei nie verstehen:

- Wie es der Gastronomie gelingt, mit dem Einsatz von getönten Butzenscheiben, dem Gast jegliches Gefühl für Raum und Zeit zu nehmen.

- Welches Interesse die Schwaben daran haben, sich jede halbwegs gewachsene Formation arbeitsgerecht zurecht zu legen.

Halb drei war´s, als wir wieder ins gleissende Tageslicht traten, alle waren satt, Zeit für ein Zigarillo. Jetzt drängelten die anderen. Ein paar Züge auf Lunge, das haute rein wie eine halbe Flasche Cognac. Jetzt fing unsere Reise an, surrealistische Züge für mich an zunehmen.

Wieso eigentlich jetzt erst?

"Ob man nicht ab jetzt am Rande des Schwarzwald entlang gemütlich nach Basel zockeln könne?"

Sicher, warum nicht?

Das war auch meine Idee gewesen. Heute morgen. Wir sassen auf, der Weg nach Basel war wirklich easy. Vom Schwarzwald nahm ich nicht viel wahr. Ich denke der ist woanders. Und dann endlich: der Zolli.
Friedel und ich verwendeten diesen Begriff für den Schweizer Grenzübergang seit unserem ersten Besuch in der Schweiz. In unserer Werkstatt war das zugleich der Rufname für ein ein faltbares Messwerkzeug, für die Baseler ist es der Zoo. Eigentlich Zooli geschrieben, aber Zolli gesprochen.
Zwei freundliche junge Herren nahmen sich unserer an, einer näherte sich, der andere zum Sprung, nein eher zum Gähnen bereit. Sie sahen unverbraucht aus, als würde ihre Schicht erst beginnen. Friedel nicht. Er ist der "dunkle Typ" und sah aus, wie ein 50er Jahre Rennfahrer, dem der Bremsstaub im Gesicht haftete. Es war nur sein Tagesbart.

Dennoch gab es keine Probleme, der freundliche Beamte strich um die Motorräder, lugte, aber da hatte er sich geschnitten: Wir vier grinsten uns an, er sah es.
In Kenntnis der Sachlage hatte ich morgens noch jedem Fahrzeug das vorgeschriebene Nationalkennzeichen angepasst und auf eine gut sichtbare Stelle geklebt. Abschliessend fingerte er noch an den Gartenstühlen herum, aber die sassen fest. "Gute Reise", sagte er freundlich, "und angenehmen Aufenthalt!" tippte sich an die Mütze und nickte grüssend mit dem Kopf. Beim Wegfahren konnte ich noch sehen, wie er denselben alsbald schüttelte. Ich hatte nichts anderes erwartet.

Weiter ging´s. Aber es war halb fünf und die Güllepumpe bettelte um Sprit.




Fortsetzung folgt.
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Beitragvon Stephan » 8. Februar 2007 00:48

nabend Olaf,

ohmann, wie ich Cliffhanger hasse.

Ich bin jedenfalls jetzt angekommen. Leider war es für Photos zu dunkel. Aber Kneipen haben se hier.

bis die Tage


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Beitragvon Crazy Cow » 8. Februar 2007 11:09

1.Tag, 2.Akt

Ach was, wir haben doch eben erst gehalten, Ingo hatte einen Plan. Natürlich wollten wir noch ein bisschen die Schweiz erfahren, ehe wir uns Quartier suchten, oder am besten beides gleichzeitig. Einen Pass für heute abend hatte er sich auch schon ausgesucht. Aber ich hatte ja andere Sorgen und die wurden nicht weniger, als ich sah, wie die beiden davon preschten auf der südwestlichen Ausfallstrasse nach Delemont. Ich sah aber auch, wie die beiden ganz offensichtlich die falsche Spur nahmen, auf die Autobahn nach Zürich. Lichthupe und abfallen lassen half da gar nichts.

Sie würden ganz schön Ärger bekommen ohne Vignette. Wir hatten aber eine Tankstelle zu suchen, was viel schwieriger war als angenommen und eine halbe Stunde Zeit kostete, bis wir wieder fahrtüchtig waren.

Was nun? Erst mal raus hier, Richtung Delsberg. Der Feierabendverkehr legte sich schon und weit vor der Stadt lag an einem Hang in einer lang gestreckten Linkskurve ein schmaler Parkplatz, der uns einlud, doch noch mal zu halten und über einen "Plan B" nach zu denken. Ein Schluck Wasser ist immer angebracht und an Tabak sollte auch nicht gespart werden, wir hatten ja unsere Überlebenstechnik. Wir konnten uns das Lachen nicht verkneifen, so wenig wie das Kopfschütteln und malten uns aus, wie die anderen beiden samt ihren Moppeds inhaftiert würden. Mit einer Akkubohrmaschine die Zylinder durchgebohrt, wie es bei zu lauten Mofas Usus war. Friedel packte seine Nikon aus und machte ein paar Fotos. Ich sah, wie er idiotischerweise auf die Strasse peilte und tatsächlich: es näherten sich zwei Motorräder. Ich muss nicht sagen, wer es war.
Viel zu spät hatten unsere Helden ihren Fehler erkannt und erst bei der zweiten Ausfahrt die Autobahn verlassen. In Anbetracht der vorgerückten Stunde hatten sie dummdreist den Rückmarsch auf dem gleichen Weg angetreten und waren unbemerkt davon gekommen.

So, jetzt aber los, viel Zeit zum Quartier suchen blieb nicht mehr, aber das war uns auch nicht wirklich wichtig. Ingo fand seinen Pass, ich weiss heute nicht einmal mehr welchen, denn ich hatte mich wiederum mit anderen Problemen auseinanderzusetzen.
Es war nicht schwer, den anderen bergauf zu folgen. Durch beherztes Gasgeben und das dritte Rad waren wir sogar im Vorteil. Bergab kam dann das, was man nur aus dem Kino und Erzählungen kennt. Ich fuhr inzwischen wegen besagter Fahrtechnik wieder voraus und die anderen hatten Schwierigkeiten mir zu folgen. Etwas verdutzt nahmen sie wahr, wie unser Dreirad unangekündigt in einen Feldweg brackerte, der von der Strasse den Berg wieder hinauf führte. Nach 30m kamen wir zum stehen. Auch Friedel war überrascht.

Drei Scheibenbremsen, eine Trommel, bei einer Passabfahrt gibt es eben keine Garantie.

Wiederum Zwangspause. Bremsen abkühlen lassen, umladen. Der Gleitschirm gesellte sich in den Seitenwagen und Friedel rastete hinter Ingo auf dem Soziussitz ein.
In der nächsten Ortschaft Gartenwirtschaft. Gerammelt voll. Nein, Fremdenzimmer hätten sie keine, aber eine Erfrischung könnten wir schon zu uns nehmen. Man wolle so lange im Nachbarort anrufen, ob da noch was frei wäre.

Sicher, warum nicht?

Der halbe Liter Bier fast fünf Franken, ich konnte mir nicht vorstellen, dass die heimischen Handwerker, die hier sassen, auch diesen Preis bezahlen mussten. Aber wir wollten ja auch kein Bier.

Ja, wir sollen nur fahren, sagte die bäuerliche Dame freundlich, es wäre zwar belegt, aber man würde uns zwei Zimmer im Dach herrichten. "Das macht dann 15 Stutz für die Getränke!"
Ich gab sie ihr gern und noch fünf dazu, für das Telefonat und die freundliche Hilfe.
Während sie mit uns sprach, verstummte der Garten und man sah uns an. Ich konnte in der Ferne ein Alphorn hören.

Als wir uns auf den Weg machten, hörte ich die Dame zu einigen Gästen sagen: "Das waren vornehme Menschen, die haben mir fünf Stutz Trinkgeld gegeben!"

Die acht Kilometer lange entspannte Fahrt in den Nachbarort dauerte gerade lang genug, um die wunderbaren landschaftlichen Eindrücke der abendlichen ländlichen Schweiz zu geniessen. Das hatte ich vorher immer nur kurz können und obwohl mir die Region vertraut war, fand ich sie wieder auf´s neue faszinierend. Ich vergass einen Moment, dass ich zu fahren hatte und liess mich durch die Landschaft treiben. Es war gar niemand da sonst.

Wir waren gut untergebracht im Nachbarort, kleine Bediensteten-Zimmerchen, alte Bauernmöbel. Sogar ein Essen hatte man noch für uns. Rösti natürlich, etwas gezuckert und mit Käse überbacken. Norbert bekam sogar ein Cordon-Bläh.
Wir liessen den Tag am Tisch noch einmal Revue passieren und haben viel gelacht.
So viel Unfug hatte ich selten an einem Tag erlebt, jedenfalls nicht während der Freizeit, da hilft es schon, wenn vier zusammenkommen.




Fortsetzung folgt.
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Beitragvon Crazy Cow » 9. Februar 2007 14:07

2. Tag, 1.Akt

Der zweite Tag begann schön. Friedel und ich waren um sechs aus dem Bett gefallen und nutzten die Gelegenheit, im Haus eine Dusche zu suchen. Frühstück, schön Wetter, gute Laune. Wir waren uns einig, heute ein paar Dinge an der Methode zu ändern, ohne ein Wort darüber zu verlieren. Ich entschloss mich, statt der Goretex Jacke eine wirklich hauteng sitzende Lederjacke anzuziehen, die ich mal am Flohmarkt erstanden hatte. Sie hatte mehr den Charakter eines Boleros, aber mit Nierenschutz drüber war es immer gegangen. Ingo blieb bei Halbschuhen, Ich auch. Umpacken, nichts vergessen? Los ging´s.

Nach wenigen Kilometern musste ich halten, die Kälte war unerträglich. Schal umlegen, Goretex-Jacke - weiter, wir wollten ja ein Bisschen Strecke machen heute. Ich hatte dazu extra den Reservekanister aus dem Kofferraum geholt und noch einen Platz neben den Gartenstühlen gefunden. Nach wenigen Kilometren wieder Halt, ich hatte in der Eile vergessen, mir die Stiefel an zu ziehen.

Ab dann wurde es angenehm. Muckelig warm, denn Sonne war ja da. Ich fing an, wie üblich ein bisschen Schlaf nach zu holen, döste ein wenig und fuhr hinterdrein. Links von uns waren die Alpen zu sehen. Leicht im Dunst, so dass sich keine Struktur auf dem Massiv abzeichnete. Nur die enormen Konturen, die flächig gefüllt wie Theaterkulissen hintereinander gereiht da standen. Wir fuhren Kurs Grenoble. Eigentlich schade, die Schweiz zu verlassen, mir erschien sie immer wie aus Zucker gebacken.
Bald war der Mont Blanc zu sehen, wie ein Scheinriese, oder der Mond. Man fuhr und näherte sich ihm nicht wirklich.
Ingo fuhr tapfer voran, er hatte sich gut vorbereitet. Natürlich wollten wir dem Scheinriesen eine Besuch abstatten, wir waren auch bald da. Lässt man mal die dritte Dimension ausser Acht, ist die Schweiz wirklich nicht sehr gross.
Natürlich war die Sau los an dem oberen Haltepunkt. Wir vertraten uns die Beine, indem wir etwas ausserhalb des Pferches herumkraxelten. Besuch im Kiosk (Ch_ios_ch). Da gab es die originalen "krumme Hunde", sie waren bei uns etwas aus der Mode gekommen. (Für Nichtraucher: das sind derbe Zigarillos, die ihrem Namen alle Ehre machen.)
Ich kaufte die Restbestände. Es waren nicht so viel, vielleicht 5 Päckchen. Wunderbar, dann mal weiter.
Bei dem grossen Touristen- und Busaufkommen hatte ich das Dreirad untypisch vorwärts geparkt und wollte gerade anfangen zu rangieren. "Warte ich ich helf dir!" schallte es unisono.

"Neiiiiiin!"

ich konnte nicht so schnell rufen wie an der Güllepumpe gerissen wurde und mein Jet Max, der traditionell immer irgendwo oben lag, weil er ja auf den Kopf gesetzt wird, der Schwerkraft folgend den Boden aufsuchte und in trudeln kam. Ich konnte ihn einfangen. Das Visier war nur verkratzt, aber ein seitlicher Scharnierdeckel hatte sich glöst und der Drehverschluss war gebrochen.
Friedel bot mir seinen Helm an. Er passte nicht. Wirklich nicht. (Er ist noch einmal einen guten halben Kopf kleiner als ich.) Wir kauften im Kiosk auch die Restbestände Tesafilm.
Ich hatte doch eine Motorrad-Brille? Nein die lag zu Hause bei dem Ersatzhelm, den ich Friedel zugedacht hatte. Wieso nimmt man sowas eigentlich nicht grundsätzlich mit? Das frisst doch kein Brot!
Anders als bei Apollo 13 hielt der Tesa-Film nicht. Es zog furchtbar.

Da es keine Alternative gab, fuhren wir einfach und meine Pein wurde belohnt, als wir die französische Grenze überschritten hatten. Warum ändert sich mit dem überschreiten einer politischen Grenze eigentlich immer auch die Landschaft?

Wiederum hatte ich das Gefühl für Raum und Zeit verloren, als plötzlich mit lautem Hallo Gespannfahrer uns entgegenkamen. Nicht wenige. Es gab ein Gespanntreffen hier im Ort, In Frankreich fährt man typischerweise Yamaha. Etliche Side-Bikes.

Ich hatte mal Walters FJ 1100 mit dem Mega Comete gefahren. Er war Side Bike Händler in Frankfurt, und gerade auf einer Single Tour in Österreich unterwegs. Friedel und ich hatten ihm gerade auftragsweise geholfen, seinen neuen Supershop "Biker-City" einzurichten und er hatte versprochen, auch nach Bardonecchia zu kommen.

Nein, wir waren uns einig, nicht zu halten, obwohl die Franzosen uns wirklich überschwänglich winkend einluden. Schade eigentlich, die Leute sind´s, nicht nur die Moppeds.

Dann Mondlanschaft. Bauxitabbau. Man konnte schwer ausmachen, ob Berge abgetragen wurden, oder angehäuft. Eine Tankstelle gab es sogar neben einem Schaufelradbagger.
Die Tankwartin hatte derbe Gesichtszüge. Alles irgendwie surreal.
Mit dem Reservekanister, der während der Fahrt eingkippt wurde, hatte ich auch das Gefühl für Entfernungen verloren, Es lief wirklich ganz wunderbar. Auch kein Magenknurren war bei den Nichtrauchern zu hören, es gab Cola und Mars-Riegel an der Tankstelle.

L´Alpe d´Huez stand nicht auf unserem Plan, obwohl wir als Tour de France Fans unseren Spass daran gehabt hätten. Stattdessen nahmen wir die Route über den Col de Galibier, der gestern für das Befahren mit Autos und Motorrädern freigegeben wurde.
Herrlich. Die irre Mischung aus Hitze und Frische, ich hatte inzwischen wieder meinen Bolero an. Das gleissende Licht, das von den Eiskristallen reflektiert wurde, die Kühle der Bergwand neben der aufgeheizten Strassenschlucht. Irgenwie wie in einer italienischen Eisdiele. Oben war´s frisch. Beine vertreten, Fotos machen, sich gegenseitig auf die Schulter klopfen. Bis jetzt war es gut gelaufen heute. An mein fehlendes Visier dachte ich schon nicht mehr. "Wollen wir weiter?"

Sicher, warum nicht?

Talwärts Richtung Turin, mir war nicht bewusst, dass wir uns unmittelbar vor dem Ziel befanden. War total aufgekratzt, nichts mehr mit dösen und surreal.


Fortsetzung folgt.
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Beitragvon ENTE » 9. Februar 2007 19:49

1972 warn wir auf der STELLA ALPINA
und begrüssten den Organisator Mario Artusio
der ist immer noch dabei müsste so um die 85 sein Grüsst ihn mal schön von mir !
Ich hab nicht unten in Bardonechia gezeltet sondern auf dem halben Weg hoch zum Gipfel Col de sommellier hiess der (glaub ich)

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Beitragvon Falcone » 9. Februar 2007 20:01

Hm, da war ich doch auch mal. Ich glaube, es war 78. Eigentlich war ich sehr knapp bei Kasse, aber ein älterer gehbehinderter Motorradfreund aus Celle (Name weiß ich nicht mehr) hatte ein I-Convert-Gespann mit Watsonian und wollte nicht die ganze Strecke fahren. Er hat mich als Fahrer "angeheuert". Das hat gut gepasst und viel Spaß gemacht.

Grüße
Falcone
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Beitragvon Crazy Cow » 9. Februar 2007 21:46

2.Tag, 2. Akt

Die letzten Kilometer zur italienischen Grenze vergingen wie im Flug. Die Schranke war offen, gegen 16 Uhr kamen wir in Bardonecchia an. Ingo fuhr voraus, als ob er schon mal da gewesen wäre. Ruck Zuck waren wir oberhalb der Stadt am Ende der Strasse am Beginn einer rauhen Gegend, die keinen mehr zu interessieren schien, als ein paar wild gewordene Motorradfahrer.
"Es ist eine italienische Enklave" hatte Tommi gesagt, "ein ehemals taktisch wichtiger Punkt, die höchste befahrbare Station in den Alpen auf italienischer Seite."

Tatsächlich grenzt der Zipfel an Frankreich und die Schweiz, dem aggressiven Feindesland.
An diesem Wochenende waren es mehr als ein paar wildgewordene Motorradfahrer.
Ich hatte nicht damit gerechnet, dass uns welche entgegen kommen würden, hochgewachsene, dunkelhaarige junge Kerle mit albernen Hüten auf kleinen Zweitaktern, Gas-Gas.
Wir fuhren ein paar Meter die Panzerpiste hoch, es war zwecklos.
Genau genommen fuhren die albernen Hüte uns um die Ohren, jedenfalls mangelte es ihnen nicht an Selbstvertrauen. Wir luden um. Der Gleitschirm gesellte sich wieder in den Seitenwagen, nachdem er hinter Ingos Rücken die falsche Uhrzeit gezeigt hatte. Ebenso die Gartenstühle und der Benzinkanister, nachdem er geleert wurde. Ich bedeutete den anderen beiden voraus zu fahren, ich brauchte meinen Ellbowroom.

Ingo machte seine Sache ganz gut, wie von einer schweren Last befreit, fegte er mit den Gas-Gas Hüten um die Schlaglöcher, die wirklich dicht an dicht lauerten. Norbert fuhr einfach geradeaus, der Handlichkeit seines Moppeds entsprechend und man kann sagen, dafür machte die BMW ihre Sache ganz gut.
Friedel und ich grinsten uns an. Er stieg mit dem linken Fuss auf die rechte hintere Fussraste, stemmte sein rechtes Knie irgendwie in die Packtaschen auf dem Seitenwagen, würgte mit der einen Hand den Gleitschirm und hielt sich mit der anderen am Überrollbügel des Mini fest. "Gib Stoff", sagte er, "ich glaube mit ein bisschen Tempo geht´s besser". Da waren wir uns einig.
Und ab ging die wilde Fahrt. Da uns die Gas-Gas Hüte ignorierten, tat ich das gleiche, sonst hätten wir bis Dunkelheit dort stehen können. Es ging so, aber es hätte niemand zu Fall kommen dürfen. Ich fand eine Geschwindigkeit, die ich heute als "erträglich" bezeichnen würde, jedenfalls habe ich keine schlechte Erinnerung daran. Ich hatte aber Rücksicht zu nehmen auf die Geräusche beim Durchschlagen der vorderen Stossdämpfer. Einen Schwingenbruch wollte ich nicht riskieren, ein gebrochenes Dämpferauge hätte auch schon gereicht. Ich kann nicht sagen, wie lang die Piste war, ich meine es waren vier Kilometer.

Bei allem Gehoppse, fand Friedel Gelegenheit, mir den rechten Daumen nach oben zu zeigen, wenn ich mich nach ihm um sah. Aber wir waren auch noch jung, und jung auf drei Rädern. Friedel war mit 43 der älteste ich hatte die 40 noch nicht erreicht, Norbert noch nicht die 30. Den sahen wir übrigens auf halber Strecke am Rand der Piste stehen. "Alles Ok" rief er nachdem er merkte, das ich vom Gas ging. Also weiter: Gas, Gas.
Nach 20 Minuten waren wir oben. Das heisst: etwas mehr als halb oben, denn das Letzte Stück wurde erst am Sonntag geöffnet, um dort seine Plakette nach weiterer Fahrt gegen kleinen Unkostenbeitrag entgegen zu nehmen. Die Plakette gab es bei 2650m, wir waren etwa 100m unterhalb. Hier am Ziel lag hinter einer Wasserfurt das Zeltlager auf einem letzten und einzigen Fleck grün oberhalb der Baumgrenze.
Das wusste ich aber bis dahin nicht. Erst als sich der Crosser neben mir sich anschickte, da durch zu fegen, entschloss ich mich das gleiche zu tun und kühlte ihm unbeabsichtigt das Mütchen. Irgendwie war mir das Geräusch auch schon auf den Keks gegangen.

Ich weiss nicht, ob ich bis zum Ziel das Gasgas stehen liess, jedenfalls kamen wir mitten auf dem Platz neben einer Bierzelt Garnitur zum stehen. "Kneissls Weizen" stand da auf einem Schild unter einem Brett, weiss blau. Walter sass da am Biertisch mit seinem typischen unheimlich liebenswürdigen und verschmitzten Lächeln. Man hätte nicht sagen müssen: "bleib sitzen!" auch das war typisch. Ein drahtiger kleiner Mann mit seiner Selbstgedrehten, immer gut drauf.
Tommi, Margit seine Frau und Schnese kamen später dazu, auch hatte ich ihr schickes Gespann nicht gesehen, es war irgendwie mit Gerümpel zugedeckt. Schnese war aus München gekommen, Tommi und Margit waren eigentlich auch Münchner, waren aber emigriert, wie eigentlich wir alle im Rhein-Main Gebiet Emigranten waren, bis auf Norbert, aber der arbeitete auch sehr erfolgreich an seiner Tarnung.

Ein Eintopf hing über dem Feuer, ansonsten Weizenbier.

Es begann zu dunkeln und Ingo fragte laut, ob er es wagen solle, indem er sich das Kinn rieb. Das war eigentlich ungewöhnlich für ihn, das kritische Beleuchten seiner Abenteuer. Wir hatten mal im Suff verabredet, über die Kaiserlei Brücke zwischen Frankfurt und Offenbach zu laufen. Nicht über die Brücke selbst, sondern die 70m hohe Tragkonstruktion an der die Brücke hing. Damals waren die Freundinnen dabei und hatten alles verdorben, diesmal bestärkte ich ihn: "Dafür sind wir ja schliesslich hergekommen. Wie lange brauchst du bis hoch? " Wir verabredeten, in etwa einer halben Stunde alle verfügbaren Blinker an zu machen. Er schulterte seinen Gleitschirm und machte sich auf den Weg. Der Berg, den er bestieg sah nicht so hoch aus, erst als ich sah, wie mein Freund kleiner wurde, wurde mir auch die Grösse seines Unterfangens bewusst. Wir sollten ihn bis Mitternacht nicht wieder sehen. Das fatale an diesem taktisch wichtigen Punkt war eigentlich die enorme Schlucht, die sich zum französichen und schweizer Feindesland auftat. Nach einer halben Stunde machten wir die Blinker an. Unsere italienischen Platznachbarn freuten sich. Nach einer weiteren halben Stunde taten sie das gleiche. Nochmal eine halbe Stunde bis Friedel rief: "Da isser!"
Lautlos kreiste er über dem Platz, kaum zu sehen, es war ja stockdunkel. Er landete dann irgendwo und stand auf. Ich war heilfroh. Aber es gab keine Chance, sich ihm zu nähern. Die anderen, hauptsächlich italienisch sprechenden Besucher, griffen ihn sich und feierten ihn. Vielleicht dachten sie, der Himmel hätte ihn geschickt. Jedenfalls ist ihnen während der Feierei nicht klar geworden, dass er von hier aus aufgestiegen war.
Vom Rotwein berauscht fand er schliesslich zu uns zurück und erzählte noch, dass er spät ausser zwei winzigen Lagerfeuern gar nichts gesehen habe. Irgend jemand hatte das Fahrlicht angeschaltet, kurz vor der Landung hatte er auch die Blinker wahr genommen.

Öha, Zeit ins Bett zu gehen.


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Beitragvon Crazy Cow » 10. Februar 2007 02:27

3.Tag, 1.Akt


Ich konnte natürlich nicht schlafen.

Nachmittags beim Zeltaufbau hatte ich mich schon über meine Naivität geärgert.
Mit Halbschuhen in die Alpen! Ein Zelt ein zu packen, ohne darüber nachzudenken, dass Heringe für Erdreich gemacht sind nicht für Fels, dass ein Schlafsack nicht gleich ein Schlafsack ist, wenn es kalt wird. Und die Temperatur sank auf null Grad. Wir hatten unsere Hundehütte auf dem letzten freien Platz neben dem Biertisch aufgebaut. Der Platz sah grünlich aus. Als es endlich stand, fanden wir einen Stein des Anstosses in seiner Mitte.
Ich fand, dass er grösser war als angenommen. Ich lag da mit aufgerissenen roten Augen.

Friedel nicht. Er schlief gleich ein. Auch im Seitenwagen hatte er gut geschlafen. Er beherrschte für diese Dinge ganz gut sein autogenes Training. Ich offensichtlich nicht so sehr. Ich konnte immerhin meinen Herzschlag verlangsamen. Dann fiel mir ein, dass nach meinen Erfahrungen auf See, langsamer Herzschlag, schwacher Kreislauf und Schlaf tödlich sein konnten bei Erfrierungen nach einem "Wassergang". Sofort war ich wieder hellwach.

Brammmm, Öttl, Öttl, Braaammmm, Öttl, Öttl, Baraaammm, Barammmm.....

Eine Moto Guzzi wurde gestartet. Hatte ich doch gedöst? War es endlich Morgen?

Weit gefehlt. "Ah, bella Macchina!" rief einer. "Idiot" murmelte ich.

Das Schäfchen zählen klappte beim zweiten mal besser. Trotzdem gab es nach 20 Minuten das gleiche Theater, diesmal begleitet von italienischen Flüchen. Beim dritten Versuch waren es auch deutsche Flüche. Ich hatte schon darauf gewartet, meine waren dabei.

Als die Sonne herauskam, stand ich auf. Draussen war nichts los. Das Brennholz war alle, ich fachte ein paar Pappkartons an. Einige Reste Baguette de Pain, steinhart. Weizenbier stand noch herum. Ich schnappte mir eins und zündete einen krummen Hund an. Pfui Deibel !
Irgendwie müssen wieder anderthalb Stunden vergangen sein, bis die ersten schlaftrunken herauskamen und ansprechbar waren. Es waren nicht unsere Leute. Walter schon, er war gut drauf, wusste wo es frisches Wasser gab und noch ehe ich mich´s versah sass er auf seiner neuen FJR, Schulterklopfen, Kommguthingruss. Er fuhr lieber allein. Man macht so seine Erfahrungen.

Margit brauchte etwas länger für die Morgentoilette, dafür wusste sie, wo in dem Gerümpel über ihrem Gespann frisches Brot und Kaffee zu finden war.
In den nächsten zwei Stunden kamen auch die anderen zu sich, ätzend. Ich hatte mit Margit einen Kaffee geschlabbert, ein Marmeladenbrot gegessen, als mir beim Umpacken einfiel, dass auch wir Proviant dabei hatten.
Verärgert ging ich ein Stück Wegs zum Zielpunkt hoch. Ein Ford Transit stand oben, für das Geschäftliche. Ich fand den Weg beschwerlicher und hässlicher als angenommen und kehrte wieder um.

Der Ford Transit folgte mir!

Das konnte unmöglich mit mir zu tun haben! Hatte es auch nicht. Von hier war zu sehen, dass schon Aufbruchstimmung am Zeltlager herrschte, aber noch niemand eine Vignette gekauft hatte. Das Auto hielt gut sichtbar weiter unten. Norbert fuhr hin. Dann noch ein paar andere, aber der grosse Boom war es nicht.

Aufbruch. Wir packten unseren Müll zusammen und luden ihn auf. Ein paar Italiener machten sich lustig. Friedel und ich fuhren als Letzte von unserem Verband und...
blieben auch prompt in der Wasserfurt hängen. Die CX lief bei Kälte etwas zu mager.

Es war nicht das erneute Starten, oder das Anfahren mit Vollgas, nein es waren die verdammten Hüte, die schon wieder um uns herumfegten und mir das Leben schwer machten. Ich konnte ja nicht geradeaus anfahren, nachdem wir da hängen geblieben waren.
Ich sammelte mich, gab Vollgas, fuhr ein Stück in der Furt entlang und zog dann seitlich zum Weg hoch. Gas-Gas war mir in dem Moment egal, aber es ging alles glatt.

Talwärts brauchten wir doppelt so lang wie gestern bergauf. Ich hatte noch nicht den nötigen Drive, döste stattdessen um die Schlaglöcher herum und holte wie üblich etwas Schlaf nach. Wir waren nicht wirklich spät dran, denn die anderen waren unten noch an der Tankstelle eingereiht, wo ein Tankwart und seine Toilette mit 50 Motorradfahrern zu kämpfen hatte und mehreren LKW.

Tanken, Blick auf die Karte, falls man sich verliert. Fünf oder sechs Alpenpässe waren heute dran, Wassen am Sustenhorn war unser Tagesziel.
Col de Mt. Cenis war der erste, zum warm werden, dann Col d´Iseran und ab da lasen sie sich wie ich sie aus den Wetternachrichten von SWF3 kannte.

"Können wir?"

Sicher, warum nicht?




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Beitragvon Crazy Cow » 10. Februar 2007 15:59

3.Tag, 2. Akt

Die Alpenpässe sind normalerweise ein Kapitel für sich, vielleicht ein ganzes Buch wert. In diesem Falle nicht, ich habe kaum eine Erinnerung daran, jedenfalls kaum eine gute. Der Iseran war sehr schön, dort herrschte auch mildes Wetter.
Ansonsten war es eine einzige Hetze, ein unnötiger Stress. Tommi fuhr voraus mit dem Biertisch unter dem Wing, Schnese dahinter mit einer Laverda SF, wir zuletzt. Wir hatten keine Chance dran zu bleiben. Der erste überholte, wenn kein Gegenverkehr war, die drei Solos trotz Gegenverkehr und wir guckten wo wir bleiben konnten. Ich überholte grundsätzlich in Linkskehren und tastete mich damit wieder an die Gruppe heran.
Auf dem Iseran waren wir noch gleichzeitig angekommen. Am S. Bernadino und St. Bernard wartete man noch auf uns. Esspresso stürzen, weiter. Es war auch kein Wetter zum Sitzen.

Irgendwie taten mir die Schweizer Autofahrer leid. Es war nun mal das erste Wochenende auf den Pässen, die sie, genau wie wir, als Ausflugsziel befuhren. Mit einem anderen Temperament halt.

Im Tunnel des grossen St. Bernhard gaben wir auf. Die anderen hatten kurz vorher unter Mühen noch einen Zirkustross überholen können, wir nur zum Teil. Wir fuhren zwischen Löwenkäfigen durch die ewige Tunnelbaustelle. Dahinter hielt ich entnervt an.
Wir sahen uns an und mussten nicht viel sagen. Wir beide waren Familienväter, die anderen nicht. Wir tranken eine Schluck und rauchten einen krummen Hund. Diesmal schmeckte er.

Es war Sonntag Nachmittag, da fahre ich allgemein wegen der Kaffeefahrer nicht einmal in den Spessart. Also weiter, behutsam. Ins Rhonetal. Dösen. Die Pässe am Rande liessen wir aus. Hinter dem Grimselpass Nordkurs, am Rhonegletscher vorbei, Ritzlihorn, Mährenhorn.
20 Uhr, noch einmal Tanken, die letzten vierzig Kilometer würden wir auch noch schaffen, aber die Strasse schlängelte sich so merkwürdig auf der Karte und sie folgte keinem Flusslauf. Dann endlich, nach neunzig Minuten, Sustenpass in der Dämmerung. "Alte Post" in Wassen. Ein toller Kasten. Er war gerade erst trocken gelegt worden, riesige Schneehalden drum herum.

Drinnen kein besonderes Hallo, wie schon am Mt. Sommelier in Bardonecchia. Nur unsere Leute sassen da. Ich hatte den Eindruck, wir störten ein bisschen die glorreichen Schilderungen des Tages, aber es war der Alkohol. Tommi hatte pauschal gebucht, man kannte den Wirt. Sieben Leute, sieben Abendessen. Es hatte eine riesige Schwenkpfanne gegeben, sie schien gut gemundet zu haben.
"Wo ist Ingo?" fragte ich. " Ach, den haben wir unterwegs irgendwo verloren!"

Zünftig!

Dem Wirt trieb es die Schamröte ins Gesicht. Ihm war wohl nicht klar gewesen, dass noch drei Leute kommen. Ich machte mir Sorgen. Aber Ingo war auch niemand, der angeschlagen irgendwo in der Ecke liegen bleibt. Er kam nach einer weiteren Dreiviertelstunde. Er war gut drauf und erzählte lachend sein kleines Drama. Er hatte sich verfranst und war beim Wenden gestürzt. Runter kam er also leicht vom seinem Gefährt, beim Aufsteigen musste er sich dann leider mit seinem Mitfahrer arrangieren. Trial and Error.

Ob er uns noch etwas bringen dürfe, fragte der Wirt.

Sicher, warum nicht?

Die anderen torkelten zu Bett, es gab reichlich Auswahl an freien Zimmern. Der Kasten war schon imposant. Ingo verliess uns auch bald nach dem Essen. Friedel und ich fröhnten noch etwas dem Tabakgenuss. Wir fanden keinen Angelpunkt für eine lustiges Thema des Tages, unterhielten uns stattdessen mit dem Wirt. Es gehörte wohl schon Unternehmungsgeist dazu, so ein Teil jedes Jahr so spät wieder in Ordnung zu bringen, den Winter auszukehren.

Wir beschlossen, uns freudig den gruppendynamischen Herausforderungen des nächsten, letzten Tages zu stellen, haben aber, am Rande bemerkt, in den folgenden Jahren viele tausend Kilometer in der geübten Manier ohne weitere Begleitung abgerissen.



Fortsetzung folgt.
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Beitragvon Crazy Cow » 10. Februar 2007 22:48

4.Tag

"Nachdem er ein Eile seine Geschäfte verrichtet..." heisst es in Homers Odysse bei der Beschreibung jedes neuen Tages. So gab es auch bei uns nichts neues. Ich, leichter Schlaf, Friedel, schwache Blase, aufstehen um sechs. Aus dem Fenster lugen, Streichhölzer in die Augenhöhlen stecken. Hier ein bisschen gereckt, da ein bisschen nesteln. Ausgiebig Duschen war noch angesagt. Natürlich waren wir wieder zu früh dran, kauften uns ein paar Ansichtskarten an der Rezeption und schrieben einen Gruss nach Hause. Was tut man nicht alles.
Wir fanden uns kurz nach acht am Frühstückstisch ein, wo wir halb neun verabredet waren. Um neun bestellten wir einen Kaffee und Brötchen, wir könnten ja später noch mal frühstücken. Ein netter Schweizer Herr, mit einer Kawa Zephyr, gesellte sich zu uns und wir unterhielten uns. "Der späte Entschluss, ein Motorrad zu kaufen, die Familie..."
Insofern hatte ich es gut getroffen. Ich hatte immer ein Motorrad, meistens zwei. Dabei hatte das Auto immer Platz in der Garage behalten, wenigstens im Winter. So war das nie ein Thema.
Um zehn brachen wir auf, nicht ohne zu prüfen, ob sich in der Etage, wo die anderen schliefen schon was tue. Nada.
Unser Weg führte uns nach Andermatt, eigentlich die falsche Richtung, aber die Strasse sah schön aus und wir hielten bald, um ein paar Fotos zu machen. Die Rheinquellen, noch ein Pass?

Sicher warum nicht?

mal einen in Ruhe geniessen. Den Furka hatten wir gestern ausgelassen. Schön war´s. Montag Morgen, die Schweizer waren mit sich beschäftigt. Wir nahmen uns die Zeit nach allen Seiten ins Tal zu schauen. Was interessiert uns noch in der Schweiz, ehe es nach Hause geht?
Liechtenstein. Wir waren uns einig. Es lag auf dem Heimweg und wir waren schnell da. Wir fuhren über Vaduz hinein und waren über Schaan ebenso schnell wieder draussen. Nein, das war uns doch zu wenig. Also zurück, mal gehalten, aber auch die Liechtensteiner waren mit sich beschäftigt. Der Kehraus nach der sonntäglichen deutschen Touristeninvasion.
Wir orientierten uns. Vaduz ist sehr schnieke, vielleicht wie die Kö in Düsseldorf, nein eigentlich wie die halbe Kö, denn von der Geschäftsmeile konnte man in die Schweiz schauen und dahinter lag schon das Waldgebiet des Fürsten. Hm..., wie Cuxhaven/Duhnen vielleicht, einseitig zur feindlichen See offen.

Egal, das Dreirad unter das Ortsschild gestellt und ein Foto gemacht mit Selbstauslöser.

Auf dem Foto sah ich erst später, das Friedel sich an dem Tag nicht rasiert hatte. Peinlich.
Also ab nach Hause, links neben der Autobahn entlang, Lustenau, Bregenz, östereichisches Feindesland, aber wirklich!
Rein kamen wir problemlos. "Ihre Papiere bitte", schnarrte der k.u.k. Offizier bei der Ausreise. Er nahm sie und verschwand in seinem Häuschen, beriet sich mit einem Kollegen und kam wieder. "Warten sie bitte hier!" und wies uns einen Platz neben seinem Häuschen an. Was wir bisher verdutzt als willkommene Belustigung angenommen hatten, erwies sich bald als bitterer Ernst. Hubschrauberkreisen über uns.
Ab da hatte ich nicht mehr den Mut, mir eine Flasche Wasser aus dem Kofferraum zu holen, wer weiss schon, was eine "falsche Bewegung" ist. Wir suchten den Schatten des Häuschens.
Nach einer halben Stunde bekam ich meinen Pass wieder. Friedel also..., der Tagesbart!
In dem Moment gingen mir Andre Hellers Bemerkungen zu seinen Landsleuten durch den Kopf. Aber irgendwie waren kulturelle Aspekte nicht wirklich hilfreich, auch mental nicht. Locker bleiben war angesagt.

Noch einmal eine halbe Stunde, dann bekam auch er seinen Pass zurück. Ich weiss nicht mehr, was der Beamte zum Grusse sagte, ich weiss nur was ich ihm wünschte, verkniff es mir aber zu sagen, auch jetzt.

Wir suchten etwas Schatten am Bodensee, am Fähranleger in Lindau. Seeluft.
Ich habe meine Trampelpfade am Bodensee, verwandtschaftliche Bande. Tässchen Kaffee, und die Pfade beschritten. Allgäu, Ulm, Autobahn Nordkurs, Jagsttal.
Es dunkelte schon und ich merkte, dass ich Vollgas fuhr, als wir uns einem Pulk Fernreise-Enduros näherten. Sie überholten sich ab und an, wie die Jungs bei der Tour de France.
Wir blieben einen Moment hinter ihnen und ich schaute sie mir an. Jede Maschine kam mir mit den Packtaschen so breit vor wie ein Gespann. Die Leute, gut gekleidet, Goretex oversized, als führte die nächste Ausfahrt in die Sahara. Ich schämte mich fast ein wenig. Ich trug wieder meinen Bolero, diesmal ohne Ärmel, die waren mit Reissverschluss befestigt.
Helm ohne Visier, das Ganze an Jeans und Halbschuhen. Friedel Zweitagesbart.

Wir dümpelten eine Weile hinterdrein, aber das Tempo passte mir nicht. 125 nach meinem Tacho. Also liess ich uns abfallen und schaltete in den vierten Gang, Friedel wurde aufmerksam und folgte mir, Klein machen, warten. Bei 10500 Umdrehungen schaltete ich in den fünften Gang. Glück gehabt, das brave Tierchen beschleunigte weiter. Bei 9000 Umdrehungen, Nenndrehzahl, konnten wir uns wieder aufrichten. 153 km/h nach Gangdiagramm.
Huldvoll machte man uns Platz, wir rauschten vorbei und grüssten majestätisch.
Bis Würzburg liess ich das Gas stehen, da wurde es Zeit zum Tanken. Unser D-Zug hatte seinen Zuschlag verlangt.
"Mach lieber langsam" meinte Friedel "ich hab da ein Geräusch gehört." Ich nicht. Ich hatte jetzt auch wieder den nötigen Drive.
Wiederum Vollgas kamen wir mit den letzten Tropfen Sprit gegen 22.30h zu Hause an.
Meine Frau und der Hund freuten sich. "War´s schön?" fragte sie, "habt ihr viel erlebt?

Mir fehlten die Worte.




Ende Prosa.

Nein eigentlich nicht Prosa, denn Prosa ist Dichtung, das hier hatte sich wirklich alles so zu getragen. Was nicht erwähnt wurde, aber zwischen den Zeilen steht: Es gab viel Zeit, die Menschen zu beobachten und über sie zu schreiben, weil die Moppeds uns in Ruhe liessen. Ihr werdet mich nie etwas Negatives über die Güllepumpe berichen hören, wir haben nicht einmal Öl nach kippen müssen. Ich hatte zu keiner Zeit den Eindruck, dass der Motor zu schwach ist, oder dass ich ein ungeübter Gespannanfänger sei. Der war ich aber.



Copyright©Feb.2007, Olaf Schulze

Alle 7 Kapitel unter diesem Thema (1.Tag, 1.Akt - 4.Tag) sollen den Lesern des Dreiradlerforums kostenlos auf elektronischem Wege zugänglich gemacht werden.
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Zuletzt geändert von Crazy Cow am 11. Februar 2007 14:28, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitragvon Stephan » 11. Februar 2007 01:43

Geschichten die das Leben schreiben.

Werde Ende Mai mit zwei Freunden (echten) mal wieder den Schwarzwald unsicher machen. GottSeiDank klappt das mit den Beiden. Verfahren, naja, läster, egal. Nur bin ich leider für die Strecke mehr oder weniger verantwortlich. Da haben wir höchstens das Problem, daß da der BlackForrest schnell ein wenig zu klein wird...


Bisa die Tage und Gruß an die Frau Gemahlin

Stephan, M... die gelben Punkte klappen nicht, hat die Post, die gelbe Farbe geklaut....
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muss, wenn ich nicht hinter ihr stehe."

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Beitragvon Pressesprecher » 11. Februar 2007 02:43

..
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Beitragvon pewibro » 11. Februar 2007 11:05

Hallo Olaf!

Schöne Reisebeschreibung :smt023 !

Ich hoffe, Du hast noch mehr auf Lager!


Bis die Tage...

Tschüß :smt039

PeWi
Tschüß dann :smt039
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Beitragvon Crazy Cow » 11. Februar 2007 14:39

Danke.

Ich habe oben einen Copyrightvermerk eingefügt. Er soll mir erlauben, diese Geschichte bei anderer Gelegenheit exklusiv in Papierform zu verlegen. Es gibt schon andere, sie sind nur wenigen (auch hier aus dem Forum) bekannt.

Memo-Waren nennt man das wohl.
Papier und eine Druckmaschine habe ich schon, das Schreiben übe ich noch, wie man sieht.

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