Vorspur - Ermittlung // Einstellung

Dämpfer, Räder, Bereifung usw.

Vorspur - Ermittlung // Einstellung

Beitragvon Kay » 26. Februar 2022 03:59

Moin aus Hamburg,

ich habe in meinem Technikordner eine Untersuchung gefunden, die ich vor ein paar Jahren durchgeführt hatte, die, wie ich meine, in dieses Forum gehört.

Ich habe, bevor ich diesen Beitrag schrieb, unter dem Suchbegriff "Vorspur" versucht etwas zu diesem Thema zu finden...
Es gibt reichlich Beiträge, in denen der Begriff "Vorspur" auftaucht, jedoch hab ich keinen zusammenhängenden Beitrag dazu gefunden.

Ausgangspunkt meiner Überlegungen war das das jüngste Projekt von meinem Kumpel...
Er beschrieb mir, wie er die Vorspur eingestellt hatte, gemäß der vorhandenen Literatur.

Ich fand das unlogisch und begann mich, mit dem Thema zu beschäftigen und schaute in den 4 Büchern zur Gespanntechnik nach.
Die beschriebenen Vorgehensweisen in 3 Büchern weisen als Ergebnis nicht den wahren Vorspurwert aus, sondern lediglich einen Nährungswert.
In dem letzten Buch zur Gespanntechnik von Olaf Schulze (in diesem Forum bekannt unter "crazycow") wird auf den wahren Vorspurwert eingegangen...

Da nun in der Vergangenheit reichlich Gespanne gebaut wurden und diese auch geradeaus laufen, läßt es den Schluß zu,
daß möglicherweise der Wert der Vorspur überbewertet sein mag und ein Nährungswert vollkommen ausreichend ist,
solange ein minimaler Vorspurwert existiert, der widerum nicht zu groß ausfällt.

Fakt ist jedoch, daß wenn die Vorspur nach den in den Büchern beschriebene Methode (die berühmten 25mm) eingestellt wird,
der wahre Vorspurwert geringer ist. Die Breite des Seitenwagenrades geht in keinster Weise in die Betrachtung ein.

Die von mir beschriebene Methode lehnt sich an die Methode in den Büchern an, unter Verwendung einer weiteren Schiene,
die außerhalb des Seitenwagenrades angeordnet wird und als Referenz für den Meßpunkt B dienen soll.

Unter Verwendung einer Exceltabelle (kann ich bei Interesse jederzeit zur Verfügung stellen) können die Geometriedaten des betrachteten Gespanns
und der gemessene Wert B in die Tabelle eingetragen werden und der wahre Wert VS für die Vorspur wird ermittelt.

Nach Festlegung des gewünschten Wertes VS NEU für die Vorspur wird der neue zu messende Wert B ermittelt und kann auf der Schiene 2 abgetragen werden.
Das SW Rad mit der verbundenen Schiene 5 kann nun ausgerichtet werden, so daß Schiene 5 und der Anrißpunkt auf Schiene 2 sich decken.

Lieben Gruß und eine gute und sichere Fahrt.
Kay
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Re: Vorspur - Ermittlung // Einstellung

Beitragvon Richie » 26. Februar 2022 07:34

Kay, wie immer gut durchdacht und logisch. Ich habe jetzt einen Unterordner an meinem Rechner eingerichtet für Sachen von dir! Ein Vorschlag habe ich aber: Laser statt Latten. Macht es viel leichter.
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der Normale aus seinen Erfahrungen
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Re: Vorspur - Ermittlung // Einstellung

Beitragvon Kay » 26. Februar 2022 07:42

oja, gute Idee :)
aber ich bitte zu bedenken, daß der Laser auch ausgerichtet werden muß

wie auch immer... wie es jedem beliebt
Zuletzt geändert von Kay am 27. Februar 2022 03:59, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Vorspur - Ermittlung // Einstellung

Beitragvon gespanntreiber0 » 26. Februar 2022 09:27

Hallo Kay,
mir ist der geringste Vorspurwert der liebste.
Also stelle ich zu wenig Vorspur ein und fahre. Habe ich zu viel Zug nach rechts, mach ich eben mehr Vorspur. Das ganze so oft bis ich zufrieden bin. Hat sich bei über 10 gebauten Gespannen bewährt.
Grüße aus dem schönen Allgäu

Martin

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Re: Vorspur - Ermittlung // Einstellung

Beitragvon W-L » 28. Februar 2022 08:59

Der in der Literatur genannte Vorspurwert stellt –wie schon hier geschrieben- nur einen Näherungswert dar, der in der Praxis durch Fahrversuche optimiert werden sollte. Das setzt jedoch voraus, dass auch entsprechende Verstellmöglichkeiten vorhanden sind. Häufig ist das aber nicht der Fall und man muss sich bereits vor dem Aufbau eines Gespannes auf einen Wert festlegen. Stellt sich nur die Frage: Welchen Vorspurwert wählt man? Um diese Frage beantworten zu können, sollte man wissen, wie die Vorspur auf das Fahrverhalten einwirkt und welche Einflussparameter von Bedeutung sind. Und letztlich sollte der Vorspurwert nach einem einheitlichen Verfahren bestimmt werden.
A) Vorspur (VS)
Bei einem Gespann bezeichnet man mit der VS die Schrägstellung des Beiwagenrades zur Fahrzeuglängsachse des Zugfahrzeuges. Die VS ist positiv, wenn der Abstand der vorderen Beiwagenradmittelebene zur Fahrzeuglängsachse geringer ist als ihr hinterer Abstand. Aufgrund der Schrägstellung des Rades entsteht eine seitlich auf den Reifen wirkende Kraft, die einen nach links wirkenden leichten Druck auf das Vorderrad bewirkt und dem Rechtszug entgegen gerichtet ist. Wesentlicher ist jedoch, dass diese Seitenkraft im Beiwagenreifen und als Gegenkraft dazu auch im Hinterradreifen jeweils einen Schräglaufwinkel erzeugt d.h., der Reifen verformt sich in seiner Auflagefläche. Erst diese Reifenvorspannung ermöglicht die unverzügliche Aufnahme weiterer Seiten- / Störkräfte (gleiches Wirkprinzip wie bei den Hinterrädern eines Pkw). Hinterrad- und Beiwagenradreifen stabilisieren sich somit gegenseitig und traggen dadurch wesentlich zu einen stabilen Geradeauslauf bei.

B) Einflussparameter:
Reifenbreite, Beiwagenrad: Je breiter der Reifen, umso geringer kann die Vorspur gewählt werden (=Näherungswert abzüglich 5-7 mm bei einem 175-er Reifen)
Reifenkontur: Je runder die Kontur, umso größer die Vorspur (=Näherungswert zuzüglich ca. 5-6 mm bei einem Zweiradreifen)
Elastizität der Beiwagenradführung: Nachstehende –mit Bremsanlagen versehene- Radführungen reagieren beim kräftigen Bremsen z.T. erheblich mit Änderungen der Vorspur.
Gezogene Langschwinge mit Schwingenlagerung vor dem Beiwagenreifen (=Näherungswert).
Gezogene Langschwinge mit Schwingenlagerung links neben dem Rad (=Näherungswert plus ca. 2 mm). Gezogene Kurzschwinge (=Näherungswert).
Geschobene Schwinge (z.B. Stoye) (=Näherungswert plus 5-8 mm).
Querlenkerschwinge (EML) (=Näherungswert plus 5-8 mm).
Schräglenker (z.B. Sauer, Tripteq) (=Näherungswert)

C) Vorspur ermitteln
Wie schon unter A) geschrieben, ist die Bezugslinie für das Maß der Vorspur die Fahrzeugmittelachse des Motorrades. Da das Hinterrad häufig versetzt zum Vorderrad läuft bzw. meist mit einem breiteren Reifen als am Vorderrad versehen ist, darf die Messschiene nicht an Hinter- und Vorderrad angelegt werden, sondern nur an das Hinterrad. Wird dieses Rad von einem Kardan angetriebenen, kann man davon ausgehen, dass es parallel zur Fahrzeuglängsachse läuft. Bei einem Kettenantrieb muss vor dem Messvorgang sicher festgestellt werden, dass das Hinterrad auch wirklich parallel zur Fahrzeuglängsachse ausgerichtet ist. Das Ermitteln der Vorspur erfolgt dann durch Anlegen der beiden 2 m-Schien nur an Hinter- und Beiwagenrad.
Wird das Beiwagenrad aktiv gelenkt, darf die Schiene nicht an das Hinterrad, sondern muss an das in Geradeausstellung befindliche Vorderrad angelegt werden.
Gruß Walter
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Re: Vorspur - Ermittlung // Einstellung

Beitragvon Nattes » 28. Februar 2022 09:51

Hallo Walter,

vielen Dank für deinen sehr praxisbezogenen und auch mir als Laien, gut verständlichen Beitrag.

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Re: Vorspur - Ermittlung // Einstellung

Beitragvon Stephan » 28. Februar 2022 11:10

Jep. Das hab sogar ich verstanden. Ich hab mir mittlerweile zwei 2,5m Alulatten besorgt. Damit ich bei der nächsten BW-Schwingenreparatur, vorher mal messen kann. . .


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Re: Vorspur - Ermittlung // Einstellung

Beitragvon Crazy Cow » 28. Februar 2022 13:04

Und dennoch bleibt die Vorspur ein dynamischer Wert. Es heißt ja auch Fahrdynamik, nicht Fahrstatik. Wenn wir auch in der Lage sind, die Vorspur mit Laser oder Dachlatte einzustellen, kennen wir doch nicht ihre benötigte physikalische Größe, sie ändert sich während der Fahrt abhängig von Geschwindigkeit und Radlast und ist für jedes Gespann anders. Gefunden werden muss ein mittlerer Wert.

Wozu wird die Vorspur benötigt?
Sie verringert bzw. eliminiert das Pendeln einer (geschobenen) Achse bei Geradeausfaht. Gezogene Achsen wie die Hinterachse bei einem Fronttriebler oder bei einem Anhänger pendeln allgemein nicht, nur bei erheblichen Störungen. Sie werden typisch ohne Vorspur ausgeführt.

Die geschobene Achse bei einem Motorradgespann liegt aber über den geschobenen Rädern, dem Vorderrad und dem Seitenrad, trotzdem messen wir die Vorspur gern über Hinter- und Seitenrad. Das ist nur relevant, wenn wir ihren Sollwert kennen.
Unterm Strich ist also solche Art der Messung unerheblich, auch beim seitlich versetzten Hinterrad, solange sie bei einer evtl. Korrektur oder einem Vergleich auf die gleiche Art vorgenommen wird. Eine realistische Festlegung der Größe für eine Serienproduktion müsste man zum Beispiel durch ein Fahrtvideo, Kamera von oben auf das Gespann vornehmen.

Zusammenhänge bebildert.
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Re: Vorspur - Ermittlung // Einstellung

Beitragvon Stephan » 28. Februar 2022 13:40

Nur hat man bei einer Fahrerprobung das Problem eine geeignete Asphaltdecke zu finden. Eigentlich eignen sich nur fast neue, wenig genutzte Strassen. Zudem sollten diese kein zu starkes seitliches Gefälle haben. Und schon is Essisch mit der Fahrerprobung. Bleiben wir also beim Messen und ändern, so möglich, später sofern es stört. . .


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Re: Vorspur - Ermittlung // Einstellung

Beitragvon W-L » 28. Februar 2022 13:50

Hallo Olaf,
stramm behauptet ist noch lange nicht bewiesen. Zutreffend ist: Einzeln aufgehängte Hinterräder heutiger Pkw (und nicht erst seit heute) laufen mit Vorspur (kann man sogar sehen, wenn man etwas seitlich hinter dem Pkw steht). Einige Wohnwagenhersteller stabilisieren Ihre Einachsfahrwerke, indem sie den Achskörper in der Mitte leicht knicken. Dadurch erhalten die Räder die gewünschte Vorspur.
Natürlich ist der genannte Vorspurwert nicht fix, sondern ein NÄHERUNGSWERT, der durch Fahrversuche optimiert werden sollte. im Fahrbetrieb ändert sich die Vorspur (wie von mir schon erwähnt) abhängig von den wechselnden Fahrwiderständen (Bremsen, Radlaständerungen, Fahrbahnstöße) und der Elastizität der jeweiligen Radführung. Daher ja auch die Optimierung im Fahrversuch. Unangehm wird es, wenn die Vorspur knapp eingestellt ist und bei einem starken Bremsvorgang aus der Vorspur -aufgrund einer zu elastischen Radführung- eine Nachspur wird.
Gruß Walter
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Re: Vorspur - Ermittlung // Einstellung

Beitragvon Crazy Cow » 28. Februar 2022 14:05

W-L hat geschrieben:Hallo Olaf,
stramm behauptet ist noch lange nicht bewiesen. Zutreffend ist: Einzeln aufgehängte Hinterräder heutiger Pkw (und nicht erst seit heute) laufen mit Vorspur (kann man sogar sehen, wenn man etwas seitlich hinter dem Pkw steht). Einige Wohnwagenhersteller stabilisieren Ihre Einachsfahrwerke, indem sie den Achskörper in der Mitte leicht knicken. Dadurch erhalten die Räder die gewünschte Vorspur.
Gruß Walter


Hallo Walter,
das ist bekannt, aber nicht hinlänglich. Ich setze dieses Wissen nicht im Dreiradler voraus, sondern spiele an auf klassische Konstruktionen mit gezogener Starrachse, wie sie jeder kennt. Audi 80, ungebremster Nachläufer, LKW Anhänger. Tatsächlich treten nur Gefahren bei Radpaaren auf, die im offenen Winkel zueinander stehen, z.B. ausgeleiertes KetCar oder asymmetrisches Dreirad ohne Spurkorrektur.
Und dies auch nur, wir können das gerne vertiefen, bei Geradeausfahrt. In der Kurve werden ganz andere Werte benötigt, vgl. Lenktrapez.
Gute Fahrt, Gruß
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Re: Vorspur - Ermittlung // Einstellung

Beitragvon Kay » 28. Februar 2022 17:30

Sehr schön, die Resonanz zu dem Thema Vorspur, wenn man bedenkt,
daß ich lediglich meine Gedanken von damals quasi hier archivieren wollte... :-)

Freut mich sehr, daß es jetzt dazu jetzt ein zusammenhängendes Kapitel gibt mit sehr fundierten und klaren Anmerkungen von Walter und Olaf.
(Hihi... Olaf, womit wir fast schon wieder bei dem Thema Wissensdatenbank wären, aber das gehört nicht hin)

Und Danke Walter für die Ergänzung zur Meßvorbereitung für den Fall, daß HR und VR nicht fluchten.

Bis dann
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