Es gibt Tage, da befindet man sich am Rande eines schwarzen Loches, merkt es aber zunächst nicht. Heute zum Beispiel, nach nur fünf Stunden Schlaf mein Handelskontor, sprich Home Office geöffnet, noch wie Ditsche im Bademantel die Computer gestartet und gepeilt, wie es so steht.
Kaum das erste Telefonat abgewehrt, ein Kunde musste sein Auftragsbegehren unterstreichen, das er mir ohnehin schon per Email aufgedrängt hatte. "Ja, ja" entgegnete ich völlig lustlos, den Hörer eine Armlänge vom Ohr entfernt haltend, als es auch noch an der Tür schellte.
Nun musst du wissen, dass Frau Nachbarin, etwas ängstlich, immer die Bude verrammelt so dass man sich den Summer schenken kann und ich mir zunächst mal das Problem des Türstehers an zu hören gedachte.
"Ich komme von der Firma Blumen Schmidt und habe einen Blumenstrauß für Sie. " Was soll ich mich mit dem Kerl streiten?", dachte ich während ich irgend eine Türverkaufsaktion dahinter vermutete und plärrte ins Türtelefon: "Warten Sie, ich komme runter." Der arme Kerl wird wahrscheinlich auch nur nach Unterschriftenerfolg bezahlt. Er konnte ja nichts von meinem Bademantel ahnen und nicht, dass ich nie ohne korrekte Kleidung an die Tür gehen würde. So wartete er halt. Um so unangenehmer wahr mir dann Stunden später an der Tür, dass er tatsächlich nur einen Blumenstrauß hatte, Fleurop stand da drauf.
Hab mich dann doch erst mal zu einem Frühstück entschlossen, um danach zu ergründen, was der neue Kunde eigentlich von mir wollte. Zwei Plakatentwürfe, aber nichts besonderes, er hatte ganz feste Vorstellungen wie alle, die neben einem Email auch noch ein Telefonat absetzen müssen. Lustlos zahlte ich es ihm heim, die Entwürfe waren in einer halben Stunde fertig. Ich beschloss aber, ihm das nicht mit zu teilen, denn gewiss wollte er sie gleich sehen, um dann seine Änderungen bekannt zu geben. Stattdessen suchte ich meine Plünn' zusammen um mich unten vor der Garage zünftig an zu popen und das Dreiradpferd zu satteln. Mal in den Nachbarort fahren und nach einem TÜV Termin fragen.
"Nee, kein Problem!", der DEKRA Mann war guter Dinge und wollte mich gleich noch mit dran nehmen. Die Wartezeit reichte kaum für ein Schwätzchen, da ging es auch schon los. Erst mal Papiere und Ist-Zustand abgleichen. Er monierte das schwarze Blinkerglas und dass die Kollegen vom TÜV einfach nur Stahlflexleitungen ohne Hersteller eingetragen hatten. Ok, Probefahrt.
Er kam nicht mit dem Zündschlüssel zurecht. Nach meiner Hilfe sprang der Bock dann nicht an. Fünf Startversuche, sechs, sieben, die Batterie hält.
"Erst mal nachdenken", sag ich und er hört auf zu orgeln. Nach der Kontrolle des Notausschalters hatte ich die rettende Idee: Die Wegfahrsperre. War noch nie vorgekommen. Zündung aus und wieder an und schon schnurrte das Biest. Muss an der Hakelei mit dem Zündschlüssel gelegen haben. Die Sonne scheint, er tuckert los, ein ganz netter übrigens, dem es aber plötzlich in den Kopf kommt, sich während der Fahrt um zu drehen, um nach seinem Klemmbrett mit dem Kugelschreiber zu sehen und daran herum zu nesteln.
"Er wird doch nicht...", denk ich, "er wird doch nicht sein Problem lösen wollen, ohne zwischendrin wieder nach vorne zu sehen...? Er wird doch nicht..," und jetzt wusste ich nicht, ob ich laut schreien, lachen oder weinen sollte, "er wird doch nicht das Baustellenschild übersehen haben, das da etwas lustlos an den Rand des Bordsteines drapiert stand, er wird doch nicht davon ausgehen, dass ein Motorradgespann geradeaus weiter rollt, wenn der das Gas zu macht und sich umdreht?"
Ich habe ihn das späterhin nicht gefragt, aber tatsächlich hat er das Schild "Achtung Baustelle" gekonnt um genickelt mit meinem Gespann. Von meiner Warte hätte er den Blechspargel unter dem Beiwagen begraben müssen, aber Design sei Dank pflügte die zugespitzte Karosserie das Rohr an der Seite vorbei. Dieses honorierte seine Unversehrtheit mit ein paar deutlichen Kratzern und einem handtellergroßen Loch im Polyester der äußeren Bugwand.
Das alles war dem guten Mann natürlich sehr peinlich und mein heiligs Blechle bekam zum Ausgleich für die erlittene Pein als erstes eine rosarote siebzehner Plakette auf gepäppt. Er verkündete darüber hinaus an der Kasse, dass mir bitte für die Untersuchung nichts berechnet würde und gab mir seine Karte mit der Bitte um Hereingabe eines Kostenvoranschlages für die Reparatur.
Mir fielen noch ein paar tröstende Worte für ihn ein, denn schließlich war die Situation ebenso absurd wie komisch. Ich weiß nun nicht, wer nun wirklich nahe am Rande des schwarzen Loches gestanden ist, der Blumenbote, der DEKRA Mann oder ich.