Slowly hat geschrieben:Während meiner Ausbildung in den 50-er Jahren zum Werkzeug- und Werkzeugmaschinen-Großhändler
wurde mir durch Literatur und Ausbildungspersonal ausschließlich die Bezeichnung "Schiebelehre"
vermittelt.
Ja, auch später noch war der "Messschieber" der bewegte Teil der "Schiebelehre".
Nachdem jedes Werkzeug durchgenormt war, fing man eben an auch die Bezeichnungen zu normieren. Man sollte sich immer fragen, warum so ein Teil 100 Jahre lang den falschen Namen tragen konnte. Bei der Schiebelehre ist es einfach. Lässt man die Skala und den Nonius weg, erfüllt dieses Werkzeug exakt diesen zitierten Prozess und funzt immer noch.
Beim Lehren wird festgestellt, ob das zu prüfende Objekt innerhalb vorgegebener Grenzen liegt oder nicht. Das Prüfergebnis ist kein Zahlenwert, sondern eine Gut- / Schlecht-Aussage.
Und zwar schneller und präziser, als wenn dran herum geschoben wird, was speziell für den Fertigungsprozess interessant ist. Man nimmt von einem Muster einen Wert ab, oder stellt ihn nach Zeichnung ein, fixiert die Schraube auf dem Schieber und hält beim Feilen oder beim Drehen kurz die Lehre dran. Ein geübter Facharbeiter weiss genau, wieviel er noch runter zu nehmen hat.
Mit der Schiebelehre kann man die Tiefe eines Sackloches bestimmen, seinen Durchmesser und einen Bolzen danach fertigen, ohne das Maß zu kennen, wie jede andere Passung auch. Deshalb ist sie zunächst mal eine Lehre und eine vortreffliche, weil sie auch Blinden ermöglicht, etwas präzise zu fertigen. Durch den Luxus der Skala wird sie zu einem Messgerät, über dessen Qualität sich offensichtlich trefflich streiten lässt. Wird sie durch den Aufdruck auf der Rückseite, (z.B. Bohrdurchmesser für metrische Gewinde) vielleicht sogar zu einem Fachbuch?
Ähnliche Schicksale wären beim Blick auf den Schraubenzieher und den Rechenschieber zu beklagen. Oder leibhaftig bei einem Bergmann, der nie in oder auf einem Berg arbeiten durfte, sondern immer nur in einer Grube und fernab von Sonne, Wind und Regen doch nichts so sehr fürchtet wie einen Wetterschlag. Fragt mal die jungen Leute, ob sie sich bei der Berufsbezeichnung "Azubi" besser fühlen als bei "Lehrling", denn immerhin geht es um Menschen, nicht um Dinge. Ich bekomme immer die gleiche Antwort, wenn ich das tue.
Es lebe der Fortschritt.
Ich verzichte seit nunmehr 5 Jahren darauf, den Klugscheissermodus extra an und aus zu schalten. Das spart Energie und ändert doch nichts daran, wie das Geschriebene auf genommen wird.