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Ereignishorizont

BeitragVerfasst: 8. April 2015 20:39
von Crazy Cow
Es gibt Tage, da befindet man sich am Rande eines schwarzen Loches, merkt es aber zunächst nicht. Heute zum Beispiel, nach nur fünf Stunden Schlaf mein Handelskontor, sprich Home Office geöffnet, noch wie Ditsche im Bademantel die Computer gestartet und gepeilt, wie es so steht.

Kaum das erste Telefonat abgewehrt, ein Kunde musste sein Auftragsbegehren unterstreichen, das er mir ohnehin schon per Email aufgedrängt hatte. "Ja, ja" entgegnete ich völlig lustlos, den Hörer eine Armlänge vom Ohr entfernt haltend, als es auch noch an der Tür schellte.
Nun musst du wissen, dass Frau Nachbarin, etwas ängstlich, immer die Bude verrammelt so dass man sich den Summer schenken kann und ich mir zunächst mal das Problem des Türstehers an zu hören gedachte.
"Ich komme von der Firma Blumen Schmidt und habe einen Blumenstrauß für Sie. " Was soll ich mich mit dem Kerl streiten?", dachte ich während ich irgend eine Türverkaufsaktion dahinter vermutete und plärrte ins Türtelefon: "Warten Sie, ich komme runter." Der arme Kerl wird wahrscheinlich auch nur nach Unterschriftenerfolg bezahlt. Er konnte ja nichts von meinem Bademantel ahnen und nicht, dass ich nie ohne korrekte Kleidung an die Tür gehen würde. So wartete er halt. Um so unangenehmer wahr mir dann Stunden später an der Tür, dass er tatsächlich nur einen Blumenstrauß hatte, Fleurop stand da drauf.

Hab mich dann doch erst mal zu einem Frühstück entschlossen, um danach zu ergründen, was der neue Kunde eigentlich von mir wollte. Zwei Plakatentwürfe, aber nichts besonderes, er hatte ganz feste Vorstellungen wie alle, die neben einem Email auch noch ein Telefonat absetzen müssen. Lustlos zahlte ich es ihm heim, die Entwürfe waren in einer halben Stunde fertig. Ich beschloss aber, ihm das nicht mit zu teilen, denn gewiss wollte er sie gleich sehen, um dann seine Änderungen bekannt zu geben. Stattdessen suchte ich meine Plünn' zusammen um mich unten vor der Garage zünftig an zu popen und das Dreiradpferd zu satteln. Mal in den Nachbarort fahren und nach einem TÜV Termin fragen.
"Nee, kein Problem!", der DEKRA Mann war guter Dinge und wollte mich gleich noch mit dran nehmen. Die Wartezeit reichte kaum für ein Schwätzchen, da ging es auch schon los. Erst mal Papiere und Ist-Zustand abgleichen. Er monierte das schwarze Blinkerglas und dass die Kollegen vom TÜV einfach nur Stahlflexleitungen ohne Hersteller eingetragen hatten. Ok, Probefahrt.
Er kam nicht mit dem Zündschlüssel zurecht. Nach meiner Hilfe sprang der Bock dann nicht an. Fünf Startversuche, sechs, sieben, die Batterie hält.
"Erst mal nachdenken", sag ich und er hört auf zu orgeln. Nach der Kontrolle des Notausschalters hatte ich die rettende Idee: Die Wegfahrsperre. War noch nie vorgekommen. Zündung aus und wieder an und schon schnurrte das Biest. Muss an der Hakelei mit dem Zündschlüssel gelegen haben. Die Sonne scheint, er tuckert los, ein ganz netter übrigens, dem es aber plötzlich in den Kopf kommt, sich während der Fahrt um zu drehen, um nach seinem Klemmbrett mit dem Kugelschreiber zu sehen und daran herum zu nesteln.

"Er wird doch nicht...", denk ich, "er wird doch nicht sein Problem lösen wollen, ohne zwischendrin wieder nach vorne zu sehen...? Er wird doch nicht..," und jetzt wusste ich nicht, ob ich laut schreien, lachen oder weinen sollte, "er wird doch nicht das Baustellenschild übersehen haben, das da etwas lustlos an den Rand des Bordsteines drapiert stand, er wird doch nicht davon ausgehen, dass ein Motorradgespann geradeaus weiter rollt, wenn der das Gas zu macht und sich umdreht?"

Ich habe ihn das späterhin nicht gefragt, aber tatsächlich hat er das Schild "Achtung Baustelle" gekonnt um genickelt mit meinem Gespann. Von meiner Warte hätte er den Blechspargel unter dem Beiwagen begraben müssen, aber Design sei Dank pflügte die zugespitzte Karosserie das Rohr an der Seite vorbei. Dieses honorierte seine Unversehrtheit mit ein paar deutlichen Kratzern und einem handtellergroßen Loch im Polyester der äußeren Bugwand.
Das alles war dem guten Mann natürlich sehr peinlich und mein heiligs Blechle bekam zum Ausgleich für die erlittene Pein als erstes eine rosarote siebzehner Plakette auf gepäppt. Er verkündete darüber hinaus an der Kasse, dass mir bitte für die Untersuchung nichts berechnet würde und gab mir seine Karte mit der Bitte um Hereingabe eines Kostenvoranschlages für die Reparatur.
Mir fielen noch ein paar tröstende Worte für ihn ein, denn schließlich war die Situation ebenso absurd wie komisch. Ich weiß nun nicht, wer nun wirklich nahe am Rande des schwarzen Loches gestanden ist, der Blumenbote, der DEKRA Mann oder ich.

Re: Ereignishorizont

BeitragVerfasst: 8. April 2015 21:25
von Michael1234
Mensch Olaf, was ein Scheiß (das mit dem Gespann, meine ich natürlich) Hoffe, dass die Schadensregulierung vernünftig läuft.
Obgleich man natürlich auf so einen Ärger gut verzichten kann.
Gruß Michael

Re: Ereignishorizont

BeitragVerfasst: 8. April 2015 23:53
von Crazy Cow
Das war übrigens nur ein Auszug aus der Sammlung absurder Ereignisse des gestrigen Tages. Abends kam ich zu dem Schluss: es hätte auch schlimmer kommen können. Normal ist ja ein Schaden am Gespann wie ein Sechser im Lotto, hat mir ein Versicherungsagent mal erzählt. Ich habe aber keine Lust, das Teil für eine Reparatur auch nur eine Woche her zu geben. Vielleicht richte ich es selbst und erwerbe mir damit einen Freund für´s Leben...
:)

Bild

Re: Ereignishorizont

BeitragVerfasst: 9. April 2015 06:47
von Neandertaler
Crazy Cow hat geschrieben:Vielleicht richte ich es selbst und erwerbe mir damit einen Freund für´s Leben...
:)


könnte eine interessante Variante sein :D

Re: Ereignishorizont

BeitragVerfasst: 9. April 2015 07:09
von Stephan
Der arme Blumenbote! Wer war denn der edle Spender des Gemüses?


Hier hat mal der TÜVi ein Gespann umgeworfen. Bei dem muß man immer selber die Bremsprobe machen. Ist kein Fake, hab den selber mal getroffen.

Aber mach das mal, so Freunde sind wichtig.


Stephan :smt025

Re: Ereignishorizont

BeitragVerfasst: 9. April 2015 08:32
von keuleandy
Da lob ich mir doch meinen TÜV-Mann! Der traut sich nicht aufs Dreirad.
Aber die Solos will er fahren. Ich denke immer wieder gern an sein Grinsen, als er von der CBX (6-Zylinder) abstieg...

Egal, Olaf, hätte, wie Du schon festgestellt hast, alles viel schlimmer kommen können. Es ist nur ein Blumenstrauß, ein nerviger Kunde und ein Loch im Kunststoff, kein Bein oder Kopf...

Grüße

Andreas

Re: Ereignishorizont

BeitragVerfasst: 9. April 2015 12:30
von Cali
Hallo Olaf - manche Tage musst du einfach abhaken - haste aber schön geschrieben :lol:

Gruß / Bernd

Re: Ereignishorizont

BeitragVerfasst: 9. April 2015 13:15
von BongoBiker
Ähnlich ging esmir bei meinem ersten Tüv Termin, der Mann in bleu holte sich einen Schalenhelm, schwang sich drauf und gab mächtig GAS!
Platz war ausreichend und auch keine Schilder o.ä. im weg.
Da ich aber selbst noch etwas verhaltener als heute fuhr, bliebt das Herzchen beiden Manövern des TÜVi einpaar Sekunden stehen... Beiwagenrad hebt ab.... Hinterrad hebt ab :wow:
meine Ohren vermuten beim zurück"rollen" definitiv mehr als 6000 U/min.
"Fährt sich gut, danke" sagt er und pappt die Plakette drauf.
"Sie sind aber schonmal Gespann gefahren, oder?" frage ich.
"Ja, ich mache regelmäßig Sicherheitskurse, mindestens einmal im Jahr."
Sauber, guter Mann.
47,50 - Danke und bis in 2 Jahren ;)

mein absurdes Ostererlebnis:
Abends um 9 steht im Bademantel und mit Handtuchturban die Nachbarin vor der Tür und fragt mich mit weit aufgerissenen Augen in einem sehr ernsten Ton:
"Ich bin nicht verrückt, oder?!"
Ich stocke...(man muss dazu sagen, so ganzhelle oder normal scheint Sie, mitte 40, nie gewesen zu sein,in Fachkreisen nennt man es retardiert aber harmlos.)
und antworte: "So genau kann ich das jetzt gerade nicht sagen, worum gehts denn?"
Da dreht sie sich murmelnd auf dem Absatz rum, geht die Treppe hoch, wirft mir noch mal einen Blick zu,
der zwischen "ich habe sie wirklich nicht alle", "Hilfe!" und "Dich frag ich nochmal was" einzuordnen war und murmelt weiter "ich bin nicht verrückt".

Ihre beiden Kinder hat man ihr vor 3 Jahren weggenommen, dabei hat sie die mit einer Engelsgeduld umsorgt und ich konnte in den 2 Jahren bis dahin nix schlechtes überSie oder die Kinder sagen, im Gegenteil,mancher "normalen" Mutter täte diese gütige Geduld ganz gut. Aber schlussendlich beurteilen, kann ich das nicht, also habe ich wie immer ehrlich und diplomatisch geantwortet.

Re: Ereignishorizont

BeitragVerfasst: 9. April 2015 14:22
von Stephan
Hm, würde ein Verrückter überhaupt fragen?!?



Stephan :smt025

Re: Ereignishorizont

BeitragVerfasst: 9. April 2015 16:10
von Michael1234
Man sagt nicht Verrückter, dass nennt sich "verhaltens-individuell" :-D
Fragt mal meine Nachbarn ob ich noch alle Latten am Zaun hätte :-) Nee will die Antwort nicht wissen ;-)
Ist also alles relativ B-)

Gruß Michael

Re: Ereignishorizont

BeitragVerfasst: 10. April 2015 18:43
von Skiffle
.. ein Schwank aus dem Leben, ein Bonmot, wie es nur das pralle Leben zu schreiben vermag; oder eben CC ..
Danke für's (mit)teilen...

Btw: ich hättedanocheinGespann, da dürfte der Prüfungsbeauftragte gerne 2 Löcher ins Boot reinkloppen, wenn anschließend das Pickerl drauf pappt, und das auch noch für ümme...

Mit Grußhand

Re: Ereignishorizont

BeitragVerfasst: 10. April 2015 21:24
von Crazy Cow
Ist aber auch schon wieder repariert.
Ne Lage Glasfaser und Polyester. Geht schneller als Epoxidharz. Gestern und heute je ne halbe Stunde. Die Form stimmt auch schon, es muss nur noch Feinspachtel, Grundierung und Folie drauf. Dann die Papiere weggeräumt. Es hat tatsächlich ne quittierte Rechnung gegeben, d.h. der junge Mann hat wohl die HU aus seiner Tasche gezahlt...
Dann will ich mal auch nicht so sein.

Re: Ereignishorizont

BeitragVerfasst: 11. April 2015 12:42
von Basic
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Re: Ereignishorizont

BeitragVerfasst: 11. April 2015 12:53
von Slowly
Mein Prüfer hat mir beim ersten Mal vorgeführt, daß er hervorragend mit dem Dreirad umgehen kann - bis zur Vollbremsung mit Bremsblockade.
Danach mußte ich immer selber drauf und er beobachtete diesen Vorgang.
Zugleich gibt er immer wertvolle Hinweise für Optimierungen, besonders für den Sicherheitsbereich.
Und dass er meine technischen Basteleien immer von Anfang an - also von der Idee bis zur Fertigstellung - persönlich beratend begleitet, hatte ich hier schon öfters erwähnt.
Das verdanke ich aber nur dem Zufall, daß er an zwei Tagen jeder Woche in meiner unmittelbar benachbarten KFZ-Werkstatt Plaketten verteilt.
Sehr angenehm für mich.
:sturz:
:grin: