26. Oktober 2014 18:25
Tja, dann diskutieren wir doch mal Fakten.
Selbst die großen Anbieter von Starrgespannen auf dem Markt, hier so schön als "Fahrzeughersteller" beschrieben, sind rein größenmäßig max. vergleichbar mit einer großen bis eher mittleren Autovertretung. Die meisten sind doch eher kleine Werkstätten bis hin zu Einmannbetrieben.
Verglichen mit ihrer Größe leisten diese Betriebe imho eine erstaunliche Arbeit
Größen- bzw. umsatzbedingt wachsen bei diesen Firmen die Resourcen für Entwicklung und Tests nicht gerade in den Himmel.
Insofern ist der Entwicklungsansatz in der Regel eine eher pragmatische Herangehensweise im Vergleich zur üblichen Entwicklung wie man sie von Fahrzeugherstellern aus dem Automobilbereich gewohnt ist.
Zwangsläufig wird also häufig einfach nach Augenmaß überdimensioniert und dann mehr oder weniger auf Dauerhaltbarkeit bzw. Haltbarkeit getestet, weil bei den Stückzahlen kein Mensch eine Konstruktion aus CAD-Zeichnungen, Materialkennwerten, finite-Elemente-Berechnung auf Grundlage von Belastungen aus dem realen Fahrbetrieb unter Grenzbelastung, Berücksichtigung von Schweißstress, etc. bezahlen könnte oder wollen würde.
Aufgrund der Erfahrung der meisten Gespannbauer und der danach ebenfalls prüfenden Ingenieure der Zulassungsbehörden passiert trotzdem relativ wenig.
Nichtsdestotrotz kommt es hier und da zu Fehlern in der Auslegung und/oder Fertigung, die wohl nicht selten durch fehlende Sachkenntnis bestimmter Details verursacht werden, auch von großen Gespannbetrieben, die dann mit Glück
so oder
so ausgehen.
Auch der TÜV oder die Dekra wissen, daß bei den Stückzahlen und der Vielfalt an Starrgespannen es schwierig ist, die entsprechende Anzahl an mit der Materie erfahrenen Prüfingenieuren zu besitzen und diese durch entsprechende Aufgaben auf dem Gebiet auch im Thema erfahren zu halten.
Zudem sind diese Prüfingenieure ja auch nur Menschen und somit nicht vor Fehlern gefeit.
Für den TÜV oder die Dekra steht somit ein fast verschwindend kleiner Umsatz (im Vergleich zu ihrem sonstigen Geschäftsbereichen) einem recht hohen Risiko gegenüber. Insofern schaut die interne Qualitätskontrolle den Prüfingenieuren inzwischen recht genau auf die Finger und die Anforderung von Festigkeitsgutachten wird mehr & mehr zur Regel, einfach weil sich damit der Ingenieur wie auch die Prüforganisation vor evtl. unkalkulierbaren Versicherungsrisiken absichern.
Insofern finde ich den Vorwurf der
DieterB aus W hat geschrieben:TÜV- Willkür, bzw. sogar die eines einzelnen Prüfers,
auch völlig unangebracht. Der Prüfer vor Ort hat nämlich intern auch Grenzen seiner Möglichkeiten was er auf welcher Basis abnehmen kann bzw. darf. Außerdem steht es ja jedem frei sich einen anderen Prüfer zu suchen, der vielleicht innerhalb seiner Organisation noch ein wenig mehr Spielraum hat bzw. sich nehmen darf oder sich selber zumutet.
In Hessen kommt dann oben drauf noch diese "tolle" Bündelungsbehörde, die dem TÜV auch noch mit mehr oder
weniger Sachkenntnis auf die Finger schaut
In Anbetracht dieser Umstände haben viele Gespannbauer in Deutschland inzwischen mehr oder weniger Festigkeitsgutachten für ihre Umbauten um Schwierigkeiten bei der Prüfung / Zulassung zu umgehen. Einige haben aufgrund der niedrigen Stückzahlen, die solch kostenintensive Festigkeitsgutachten nicht wirtschaftlich erscheinen lassen, die Erstellung von neuen Starrgespannen oder bestimmten Starrgespannmodellen für Deutschland eingestellt.
Man könnte ob solcher Entwicklungen natürlich die schwindende Vielfalt im Gespannbau beklagen, sollte aber auch nicht vergessen, daß damit das auftreten solcher Einzelfälle wie oben angeführt sehr stark vermindert bzw. evtl. sogar verhindert wird.
Die Gespannbauer selber sehen die Problematik ja selber so wie oben geschildert:
zum Beispiel oder
hierUnd jetzt kommen wir eben zu dieser Möglichkeit wie Du sie aus einem Artikel schilderst: Wenn die von Dir genannten Kosten von um die 1000,- Euro für eine Kleinserienabnahme stimmen sollten, dann ist damit halt max. 1 Arbeitstag Aufwand möglich für eine Abnahme inkl. aller notwendigen administrativen Notwendigkeiten drum herum. Der Sachverständige selber hat also eher nur 1/2 bis 3/4 Arbeitstag Zeit für die Abnahme einer solchen Kleinserie und die dazu notwendige Dokumentation der Abnahme.
Wenn dem dann so ist, dann kann der Sachverständige aber gar nicht mehr technisch prüfen und kann eigentlich nur noch eine reine Prüfung der Dokumentation durchführen (man bedenke den vorher genannten Ansatz zur Konstruktion bei der Größe der Betriebe). Also:
willi-jens hat geschrieben:Bei Kosten von 1000€ für die Prüfung einer Kleinserie kann es sich ja quasi nur um eine Prüfung von Dokumenten handeln. Also keinerlei Festigkeitsprüfungen, keine Fahrprüfungen mit Dehnmeßstreifen oder ähnliches.
und
willi-jens hat geschrieben:Sorry, für mich hört sich daß eher nach der Idee aus Uhingen an also quasi ISO 9001 Zertifizierung mit nicht nachvollziehbaren Qualitätsanforderungen & -umfang und Gutachten durch Hand auf legen.
Und damit imho ein klarer Rückschritt in der Sicherheit zur bisher in Deutschland üblichen Vorgehensweise, selbst wenn es sich dabei "nur" um eine Abnahme anhand der Erfahrung eines Prüfingenieurs handeln sollte. Da wird es dann wenigstens jedes Gespann persönlich von einer mehr oder weniger unabhängigen 3. Person kontrolliert und nicht nur irgendeine Dokumentation der gesamten "Serie".
ABER wenn der Umfang wirklich so beschränkt sein sollte, dann wäre es als Ersatz für das bisherige Verfahren in Deutschland ein ganz klarer sicherheitstechnischer Rückschritt und auch eine mehr oder weniger große Wettberbsgefahr für hiesige Gespannhersteller mit den hier notwendigen Kosten der Prüfung. In Belgien oder den Niederlanden und manchen anderen EU-Staaten ist die Situation anders, daß weiß ich, aber dort haftet halt der Erbauer für seine Fehler. Was dies im Falle eines Unfalls für einen selber bedeutet, kann sich bei den Betriebsgrößen jeder selber ausrechnen....
Nur meine 5 Cent dazu.
Grüße
Jens
P.S. Wenn sich Ralph aufgrund dieser Möglichkeit einen bisher nicht erschlossenen Exportmarkt eröffnet bzw. eröffnen kann, dann finde ich die Entwicklung gut (wohl wissend, daß diese Gespanne, sorry Schwenker, ja bereits ein Betriebsfestigkeitsgutachten besitzen).
Ungeprüfte, eigenzertifizierte Gespanne können imho nicht die Lösung für den Gespannbau darstellen. Genausowenig wie der Anschluß weiterer Bremssysteme an Motorrad-ABS-Systeme deren Systemprogrammierung man nicht im Ansatz verstanden geschweige denn an den neuen Einsatzzweck angepaßt hat.