Der Regler - ein Drama in vier Akten

Für das Dingeling

Der Regler - ein Drama in vier Akten

Beitragvon 4Bikes10Räder » 1. August 2018 23:24

Der Regler - ein Drama in vier Akten

Prolog.
Heizgriffe. Irgendwie halten die nie lange. Da hatte ich mir extra die mit der intelligenten Elektronik von Oxford gekauft, die sich bei Unterspannung selber abschalten. Aber nach 5 Wintern war die ach so intelligente Steuerung auch hin. Hat ab 50% Heizleistung eine Unterspannung angezeigt, obwohl der Motor lief, auch mit Drehzahl. Doofe Steuerung.

Vor der Irland-Tour habe ich die Steuerelektronik noch getauscht, man weiß ja nie wie viel Regen & Kälte kommt. Aber nanu? Auch so eine gar nicht intelligente Steuerung die sich selbst abschaltet? Muss dann wohl doch an den Heizgriffen selber liegen, aber die wechsle ich vor der Tour nun nicht mehr.

1. Akt
Irland-Urlaub. Herrlich. Wir fahren durch die einsamsten Gegenden an winzigsten Örtchen vorbei, je schlechter die Straße desto breiter das Grinsen im Gesicht.
Doch hoppla-ho, an einem Nachmittag fängt da doch meine Ladekontrollleuchte an zu blinken!
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Sowas, das gibt es doch sonst nur im Stand an der Ampel, wenn der Lüfter anspringt?
Aber wegen solcher Kleinigkeiten hält man ja nicht an – also Licht aus und erst mal schön die Tagesetappe beendet. Technische Stopps werden nach Möglichkeit auf den Abend verlegt!

Im Hof des B&Bs dann das Elektrik-Werkzeug rausgeholt und am Kopf gekratzt. Hmm. Woran liegt es denn nun?
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Dank modernster Kommunikationstechnologie Tipps von Georg aus der Heimat geholt:
So misst man die Lichtmaschinenspulen, soviel sollte ankommen, so prüft man den Regler.
Motor aus und Widerstände gemessen, Motor an und ungeregelten Wechselstrom gemessen, Stück für Stück nähert man sich der Fehlerquelle.

Aha! Da ist der Bösewicht! Der Regler / Gleichrichter regelt oder richtet nicht mehr, auf alle Fälle kommt da nix raus! Wechselstrom hingegen gibt es satt aus der Lichtmaschine.
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Nun denn, ich hatte zwar keinen Jialing-Regler dabei, auch sind die China-Händler in Irland eher selten, aber Regler ist Regler. Also flugs diverse Werkstätten abgeklappert, was dann doch etwas gedauert hat, denn schöne einsame Gegend hat nun mal keine große Motorradwerkstattdichte. Bis endlich der entscheidende Tipp kam: In Tullamore ist ein Händler, der zerlegt auch Motorräder und hat Regale voll mit Ersatzteilen.
Bingo. Drei Kunststoffkisten später hatten wir eine Selektion von diversen Reglern, und haben den einer Honda genommen. Mit auf dem Millimeter genau den gleichen Maßen. (Ob Honda wohl von den Chinesen kopiert hat? Möglich.) Nur bei den Anschlüssen galt es kreativ zu werden.

Eingebaut – und siehe da! 14 Volt an der Batterie! Hurrah!
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Ob Honda oder Jialing als Regler ist mir gleich – den fahre ich jetzt bis zum Sankt Nimmerleinstag!

2. Akt
Ja ist denn schon St. Nimmerlein? Kaum ein paar Tage wieder daheim, blinkt die Ladekontrollleuchte wieder! Gibt es da womöglich Hersteller-Unverträglichkeiten? Komisch, wo doch auch Honda im Jialing-Werk fertigen lässt. Naja, man weiß es ja nicht, also aus dem Ersatzteillager den 100% originalen und nagelneuen Regler angeschlossen.
Aber Moment mal! Der lädt auch nicht! Ja aber, der müsste doch! Das Kopf-Kratzen hat wieder Saison.
Es folgen Wochen des lustigen Hin- und Hers zwischen wüsten Theorien wie „Die Lichtmaschinen-Spulen machen die Regler kaputt“ und Verzweiflungsanfragen telefonisch und per Mail bei diversen Schrauber-Freunden.
Ich lerne täglich dazu. Z.B. dass man einen Regler/Gleichrichter nicht mal so eben „durchmessen“ kann. Der merkt nämlich, ob da eine Batterie dran ist oder nicht. Und nur mit meinem Voltmeter als Abnehmer bekommt er das nicht so richtig geregelt.
Blöde kluge Elektronik!
Ich strafe die Jialing mit Nichtachtung und fahre stattdessen mein Sommermotorad. Ist ja schließlich Sommer.

3. Akt
Das kann doch nicht sein, dass man so einen Fehler nicht findet! Also klug nachgedacht, noch klüger mehrmals drüber geschlafen, Tipps geholt, bis ich dann die richtigen Stellen durchgemessen habe.
Zwischen Ausgang Regler und den Stellen, wo der kräftige frische Strom ankommen sollte, sind 90 k Ω Widerstand!
Für Jialing-Fahrer: Gemessen sowohl vom Regler-Ausgang zur 30A Hauptsicherung beim Anlasserrelais, als auch zur 20A Sicherung im Sicherungskasten, da kommt man so schön dran.
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Oh wei, da ist wohl ein Kupferwurm irgendwo im Kabelbaum. Na, den mag ich aber nicht aufschlitzen nachdem ich vorher stundenlang drumherum Bauteile demontiert habe.
Also flugs ein Überbrückungskabel gebastelt. Denn zwischen den Messpunkten an den Sicherungen war alles tippi-toppi null Ohm, nur bis dahin gab’s herbe Verluste.
Und siehe da, mit dem Überbrückungskabel regelt und gleichrichtet es wie es schöner nicht sein könnte. Der Betrieb des Gespanns ist wieder gewährleistet, und wird gleich mit einer kleinen Familienausfahrt genutzt.
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4. Akt
Aber so richtig repariert ist es ja nicht, also begebe mich auf die Odyssee 2018 – Kupferwurm im Kabelbaum.
„Zufällig“ gibt mein Jialing-Ersatzteilfundus auch einen Kabelbaum her. Ich fange an, wie ein Chirug minimalinvasiv die Umwicklung aufzuschneiden. Bald bin ich fündig – da ist die Stelle, wo das rote Kabel vom Regler sich aufspaltet – einmal zu den Verbrauchern und Sicherungen, und einmal zum Zündschalter. Das ist doch ein geeigneter Messpunkt, um den Fehler einzugrenzen.
Hmm, wo liegt diese Stelle im Kabelbaum im eingebauten Zustand? Aha! Da, hinter dem Rahmen, hinter der Verkleidung, hintern den Bergen, bei den sieben Zw.. ach nee, das war was anderes.

Demontier, bastel bastel, Finger-verrenk, fummel & schlitz:
Erster Aha Effekt: Da ist der Kabelbaum die letzten 1.300 Betriebsstunden mit dem Rahmen auf Tuchfühlung gegangen – und ein Kabel ist schon bis auf’s Kupfer durchgescheuert. Das sieht man nicht gerne. Kurzer Blick in den Schaltplan: Gelb/Grau, der steuert ob man mit Gang aber mit Kupplung oder ohne Kupplung und dafür ohne Gang starten darf – und regelt auf Masse. Da würde ein Massekontakt also schlimmstenfalls ein Hüpfen beim Anlassen verursachen. Nicht schön, aber nicht schlimm. Na gut, das isolier‘ ich nachher auch noch mal nach.
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Zweiter Aha-Effekt: Die rote Kabelweiche sieht sehr sehr grünspanig aus. Diese Farbe mag ich nicht so in meiner Elektrik. In der Tat, hat hier der Li-Wang-Wu einen schlechten Tag gehabt, und hat meine Kabel lieblos zusammengebraten. Sechs Winter haben dann noch einen draufgelegt, und schon war sie hin, die elektrische Verbindung. Ein Wunder, dass da überhaupt noch was durchging.
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Und komisch – kaum sorgt man für eine niederohmige Durchleitung, schon klappt‘s auch mit dem Stromfluss und der Regelung.
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Epilog
Seit dieser Aktion habe ich jetzt ein Voltmeter fest eingebaut. Alles über 13V in der Anzeige schafft ein gutes Gefühl.
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Bei der Testfahrt fiel mir auch meine doofe Heizgriffsteuerung ein, die vielleicht gar nicht so doof ist. Also voller Begeisterung auf 100% gestellt und bei mittlerer Drehzahl auf der Landstraße abgewartet was passiert.
Ergebnis: Wie bescheuert kann man sein, im Sommer 2018 bei 33°C die Heizgriffe auf 100% laufen zu lassen? Das wird nämlich hässlich heiß! Aber so richtig! Offensichtlich ist hier manche Steuerung an meinem Gespann intelligenter als ich…

Wer bis hierhin mitgelesen hat und sich denkt: Hätte man doch auch kürzer formulieren können?
Recht hatter! Hatter? Hatter!

Die Moral von der Geschicht': Bei mir gab es eine schlechte Lötstelle im Kabelbaum, die musste gerichtet werden.
Wenn also bei einer anderen Jialing mal die Batterie nicht mehr geladen wird, einfach mal die Leitungen durchmessen, bevor der arme Regler völlig zu Unrecht verdächtigt wird.

Oder gar die Heizgriffsteuerung.

-Klaus
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Re: Der Regler - ein Drama in vier Akten

Beitragvon dreckbratze » 2. August 2018 04:41

glückwunsch! aber dafür, dass du dich so souverän in der elektrik bewegst, wundere ich mich über die billigen stecker, die du benutzt.
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Re: Der Regler - ein Drama in vier Akten

Beitragvon Stephan » 2. August 2018 05:11

Na, die gequetschten waren doch nur ein Provisorium. Und unter dem Schrumpfgeschlauchten kann ich niGS mehr erkennen.

Gute Suche. Die Sache mit der miesen Batterie-Ladung und dem dafür Schuldigen, scheint mir nie mit 100% Aussagen behaftet. Oft kann man sich nur mit einer Schritt-für-Schritt-Austausch-Lösung vorarbeiten.


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Re: Der Regler - ein Drama in vier Akten

Beitragvon Piper Mc Sigi » 2. August 2018 05:40

Gut das es den Kupferwurm gibt. Danke für die schöne Beschreibung.
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Re: Der Regler - ein Drama in vier Akten

Beitragvon richard III » 2. August 2018 11:50

Hallo Klaus
Tolle, interessante Beschreibung und auch noch humorvoll!!
Aber einen Passus kann ich leider nicht übernehmen. Licht ausschalten. Klappt bei meiner Chinesin nicht. Zündung an = Licht an.
Das bedaure ich sehr, kann es aber selbst nicht ändern. Keinen rechten Durchblick bei dem Schalt-Stromlaufplan.
Hatte auch schon Startschwierigkeiten. Batterie immer fast leer. Neue GEL-Batterie eingebaut. Alles klar. Auch sehr wenig Selbstentladung mit der neuen.
Ansonsten alles klar gelbe Chinagrüße Richard III
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Re: Der Regler - ein Drama in vier Akten

Beitragvon Peter Pan CR » 2. August 2018 22:25

Auch eine alte Honda ist vor dem Kupferwurm und Kriechströmen nicht gefeit... Hab ich auch mal durchexerziert mit der Herstellung eines neuen Kabelbaumes im Winter im kalten Ölkeller.... Herzlich wilkommen im Klub.
Sven
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Re: Der Regler - ein Drama in vier Akten

Beitragvon Lordhelmchen » 3. August 2018 13:55

Hi Klaus,
tolle Beschreibung und sehr unterhaltend! :grin: :lol:
Ja diese :gewitter: vermaledeiten Kabelverbindungen in den Kabelbäumen bringen mich auch jedesmal fast zur Verzweiflung :rock:
So etwas gibt es nicht nur bei Jialing oder Honda, sondern auch bei Suzuki Motorrädern und auch vor Autos ( Suzuki LJ80 ) haben die nicht halt gemacht.
Meist ist dann nur die Lichtleistung beschixxen weil die Masseleitung zig-mal im Kabelbaum verbunden und eingewickelt ist.
Nach ein paar Wintern und sonstiger Feuchtigkeit ist dann einfach der ( Kupfer- ) Wurm drin.
Alles wäre einfacher solche Verbindungen würden ausserhalb des Kabelbaumes liegen denn es ist nicht mal gesagt dass die Verbindung bei identischen Kabelbäumen an der gleichen Stelle ist. :smt009
So sucht man und schneidet sich dann stückweise durch das Kabelgewirr.... :smt013 bis die Verbindung endlich gefunden ist.
Ääh wie war das mit der Diode nochmal ? Die war doch beim Günni wo ganz anders.... :roll:
Aber weiter so, denn laufen tut se ja auch noch ohne LiMa ne ganze Weile.
Bis denn mal
Peter
Gruß aus Franken.
....der Gewaltschrauber......
https://www.spritmonitor.de/de/detailansicht/782582.html
Lordhelmchen
 
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Re: Der Regler - ein Drama in vier Akten

Beitragvon richard III » 23. August 2018 09:54

Hallo Klaus
Prima Bericht mit viel Humor. Mit dem Stromlaufplan stehe ich auf Kriegsfuss. Glaube sogar, daß dieser,für meine Jialing Ausführung nicht stimmt.
Kann leider die Hauptscheinwerfer nicht abschalten. Ist, so glaube, ich Vorschrift in der EU. Absolut blödsinnige, diese.
Scheinwerfer sind, nach einschalten der Zündung, immer an. Gehen, auch beim Starten, nicht aus. Die neue Gel-Batterie schafft das Starten zwar immer,
aber Licht komplett abschalten währe mein Weihnachtswunsch. Bin Installateur und Heizungsbauer. Habe also immer nur mit 2 Leitungen zu tun.
Elektrik ist viel komplizierter. Vielleicht finde ich ja ´mal einen Bastler der mir hilft.
Tschüss und gute Fahrt dem verbliebenden Rest Jialing Owners. Richard III
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