Die Abende werden länger: Lesestunde
Popp, popp, popp .... aus dem etwas anderen Hühnerstall !!!
Bei uns ist Plastik-Party. Man kennt das ja: Da kommt eine Dame ins Haus
und preist die Plastikprodukte einer bekannten amerikanischen Firma an. Als
Gastgeber muss man ein halbes Dutzend potentieller Kundinnen einladen und etwas
Leckeres servieren. Anke war selbst auf so einer Party gewesen und nur
hingegangen, weil sie der Gastgeberin einen Gefallen tun wollte.
Fast
schon gegen ihren Willen wurde sie zur Gastgeberin der nächsten Party
auserkoren, geködert mit wunderschönen Geschenken.
Heute ist es soweit. Ich
komme nach Hause, die Gäste sind schon da. Eine Gruppe von Enddreißigerinnen
hockt in meinem Wohnzimmer. Leider alle angezogen. Meine Herzallerliebste mitten
unter ihnen. Alle haben einen Halbkreis um eine weitere Enddreißigerin gebildet,
die neben sich ein Körbchen mit Plastikartikeln stehen hat.
Jede der
Damen hat eine Kaffeetasse unseres besten Geschirrs vor sich stehen, dazu unsere
sündhaft teuren "Carlo-Bianco"-Gläser. Sie knabbern MEINE Salzstangen und
futtern MEINE Süßigkeiten! Ob meines Eintretens machen sie einen
erschrocken-gequälten Gesichtsausdruck und schauen Anke an. Ihre Gesichter
sagen: "Wie kann man nur…?" Anke, die Allerliebste, lächelt entschuldigend und
zuckt mit den Schultern. In Frauensprache heißt das: "Der macht doch nix! Der
ist ganz harmlos! Der will nur spielen!"
Ich sage: "Hallo, die Damen,
darf ich mich dazusetzen?"
Dreibein-Alarm![1]
Die Enddreißigerinnen
öffnen gleichzeitig den Mund, um "Nein!" zu sagen, aber ich bin schneller und
sitze am Tisch, bevor eines der anwesenden Hühner gackern kann.
Anke rettet
die Situation und stellt die in der Mitte sitzende Henne als Frau Nassenkamp
vor. Ich begrüße sie mit einem freundlichen: "Na dann mal los, Frau
Nasenkrampf!", was mir einen todbringenden Blick der Angesprochenen einbringt.
Frau Nassenkamp gibt jedem ein Plastikdöschen mit Deckel. Ich kriege
auch eins und stelle es brav vor mich hin.
"Das ist zum Frischhalten von
Lebensmitteln", erklärt Frau Nassenkamp bei der Ausgabe. "Alles, was sie da rein
füllen, wird bei Druck auf den Deckel luftdicht verschlossen. So können sie
Hühnersalat bis zu einer Woche frisch aufbewahren."
"Oh, ah ja", echot die
Damenriege und macht die Deckelchen auf und zu und im Nu ist die Luft erfüllt
mit poppenden Geräuschen, als die hühnersalatleeren Plastikteilchen verschlossen
und wieder geöffnet, wieder verschlossen und wieder geöffnet werden. Ich lasse
meine Hühnersalatschüssel zu und trommle ein wenig auf dem Deckel herum.
Die
Sitzgruppe hingegen kann nicht genug vom Schüsselchen auf- und zumachen
bekommen.
"Praktisch", meint meine Frau
. "Oh ja", gibt ihr Frau
Nassenkamp Recht. "Unsere Firma ist die erste Firma, die diesen luftdichten
Verschluss entwickelt hat und ist heute noch Marktführer auf dem Segment."
Nun, bisher habe ich in noch keiner Börsenzeitschrift Kursnotierungen
zum Segment "luftdichte Essensaufbewahrungsplastikschälchen" gefunden, aber ich
will ja Frau Nassenkamp nicht widersprechen. Dennoch frage ich: "Kann man da
auch Schrauben und Nägel rein tun?"
Frau Nassenkamp rümpft angewidert die
Nase und entgegnet: "Da kann man ALLES rein tun. Aber eigentlich sind die Dosen
für Sachen, wie beispielsweise Hühnersalat."
"Guck mal, Schatz", jubelt
meine Frau, "praktisch, oder?" "Sie können Ihrem Mann da auch Essen ins Büro
mitgeben", springt Frau Nassenkamp bei, die wohl ahnt, was jetzt kommt, und
vorsichtshalber noch ein "Mein Mann macht das immer so" hinzufügt.
"Man
kann gut darauf trommeln", grinse ich sardonisch und zu Anke, "aber der Tag, an
dem du mir einen eine Woche alten Hühnersalat mit ins Büro gibst, wird der Tag
unserer Scheidung sein."
Ich schaue Frau Nassenkamp an, grinse und frage:
"Wenn ich im Supermarkt Quark kaufe, dann ist der auch immer in so schönen
Schälchen und Eimerchen mit Deckel. Warum sollen wir nicht einfach die nehmen,
die sind doch umsonst?"
Die Köpfe der anwesenden Hühner fliegen herum.
Feindseeligkeit spricht aus ihren Augen. Doch Frau Nassenkamp lässt sich nicht
beirren, obwohl ich bemerke, dass sie mich schon etwas weniger freundlich
anschaut. Genauer gesagt sagen ihre Augen: "Teeren, federn und vierteilen!" Doch
ihr Mund sagt: "Die Moleküle für unsere Artikel kommen aus der Weltraumfahrt!"
Ich werfe ein: "Aber die essen im Weltraum doch keinen Hühnersalat!"
"Unsere Schüsselchen sind aber sowohl von innen, wie auch von außen
dicht!"
Mir schien es so, als sei das eine Eigenschaft die vielen
Behältern gemein sei. Zum Beispiel Flaschen, Konservendosen oder eben dem
besagten Quarkeimerchen. Deshalb runzle ich die Stirn, was Frau Nassenkamp
natürlich sofort bemerkt. Beifall heischend schaut sie in die Hühnerrunde, hebt
ihr Schüsselchen und sagt triumphierend: "Was drin ist, bleibt drin und was
draußen ist, bleibt draußen!"
Ich hole tief Luft und Frau Nassenkamp
befürchtet schon, dass ich jetzt mit der gesamten Kraft meines männlichen
Intellekts zurückschlagen werde. Stattdessen sage ich: "Ach was?"
Anke
entgehen natürlich die Spannungen zwischen mir und der Nassenkamp nicht, und sie
rettet die Situation, indem sie sagt: "Super!"
Die Nassenkamp lässt den
Deckel ihres Schüsselchens poppen und reflexartig fallen alle anderen Hühner in
das Poppkonzert ein. Popp, popp!
Ich wende mich Frau Nassenkamp zu: "Was
soll dieses Wunderwerk malaysischer Spitzenkonservierungstechnologie denn
kosten?"
Das Poppen mit den Deckelchen hört schlagartig auf. Die Damen
schauen mich teils fragend, teils feindselig an. Preisfragen stellen!? Bei so
einem Spitzenprodukt. Wie kann ich nur...
Frau Nassenkamp, die meine
Frage irrtümlich als Kaufsignal wertet, strahlt mich an wie ein Christbaum: "Bei
Abnahme von 10 Stück kostet Sie eine Schüssel grade mal 2 Euro..."
Ich
rechne. Ein schöner griechischer Krautsalat kostet bei Aldi 1,39 Euro. Der ist
in einem wunderschönen Schüsselchen mit Poppdeckel auf dem unten draufsteht:
'wieder verwendbare Haushaltsdose'. Da habe ich ein Kilo leckeren Salat und ein
Schüsselchen umsonst. Oder umgekehrt! Selbst wenn ich kiloweise griechischen
Krautsalat kaufe und den Salat sofort bei Aldi in den Gully schütte, habe ich
immer noch 61 Cent gespart!
Ich soll also 2 Euro bezahlen, damit ich von
einem eine Woche alten Hühnersalat keinen Durchfall kriege? Ich wiege die
lauernd wartende Nassenkamp in Sicherheit: "Wie viel kostet eine Schüssel, wenn
ich Ihnen 20 Stück abnehme?"
"Oh", sagt die Nassenkamp, da muss ich
nachschauen..."
"Tun sie das".
Und während die Herrin der
Schüsselchen nach ihrer Rabattliste kramt, starren die Mammis ihre Gastgeberin
mit einer Mischung aus Häme und Verachtung an. 20 Schüsselchen! Anke blitzt mich
zornig an und tritt mir unter dem Tisch ans Schienbein. Aber jetzt gibt es kein
Zurück!
"Na ja, Schatz, so oft, wie ich Reste essen muss...."
Hinten
kichert die Mutter des besten Freundes unseres Sohnes, und meine Gattin wechselt
die Gesichtsfarbe.
"Eineurofünfundsiebzich", piept Frau Nassenkamp aus der
Kreismitte, aber jetzt geht es nicht mehr um den Preis. Jetzt geht es um das
Prestige meiner Lebenspartnerin als treu sorgende Ehefrau.
"Wann hast du je
Reste essen müssen?", zischt sie.
"Wann hat es bei uns je Hühnersalat
gegeben, du kannst doch gar keinen machen", gebe ich trotzig zurück und
beschließe, die Situation weiter eskalieren zu lassen - mit dem Satz, den jede
Ehefrau nach "ich muss dir was gestehen" am meisten hasst: "Meine Mutter, die
konnte Hühnersalat machen, der war immer klasse."
"Willst du damit
sagen, dass dir mein Essen nicht schmeckt?" Erneuter Gesichtsfarbwechsel.
"Na ja, bei Dosenravioli kann man ja nicht viel falsch machen", schlage ich
zurück. Allgemeines, verhaltenes Kichern in der Runde. Nur Frau Nassenkamp
schweigt und überlegt sich, wie sie die Situation entschärfen und ihre Töpfchen
doch noch an Mann und Frau bringen könnte. Aber sie braucht zu lange!
"Mein lieber Mann", die schneidende Stimme meint dabei das Gegenteil von
'lieber Mann', "ich rackere mich von früh bis spät ab und mache jedes Essen
frisch, und das weißt du auch!"
"Und warum willst du dann
Plastiktöpfchen zum Frischhalten kaufen? Du widersprichst dir doch selbst,
merkst du das nicht?"
Frau Nassenkamp hat realisiert, wohin das führt. Nix
mit Töpfchenverkauf in der Damenrunde. Schließlich will sich keines der Hühner
als Resteverwerterin outen. Sie startet einen letzten Versuch mit: "Man kann in
den Schalen ja auch Kuchenteig anrühren!" Aber ich blocke mit: "Meine Frau kann
nur eines noch weniger gut als Hühnersalat - das ist Kuchenbacken."
Das
war's! Meine Frau springt auf, knallt zuerst mir eine und dann die Zimmertüre zu
und ist weg. In die peinliche Stille geben die anwesenden Ladys, die mich
mittlerweile für das größte Chauvischwein der Welt halten, ihre Töpfchen an Frau
Nassenkamp zurück. Diese sackt, flugs wie ein Eichhörnchen, ihren Ramsch ein.
Alles verabschiedet sich mehr oder weniger zügig, weil alle noch gaaaanz
wichtige Termine haben, ziehen im Gänsemarsch zur Tür und weg sind sie. Frau
Nassenkamp und ihre Partygirls.
Anke kommt wieder herein: "Und, sind sie
weg?" Ich nicke, und sie sagt: "Gott sei Dank!"
Ich frage: "Und, wie war
ich?"
Sie sagt: "Göttlich! Ohne dich wäre das noch zwei Stunden so
gegangen!"
EDIT: Diesen Beitrag hatte ich zunächst doppelt reingesetzt !