Kugelgelenke

Alle Technikfragen, die in kein Unterforum passen

Kugelgelenke

Beitragvon Crazy Cow » 4. Juli 2015 21:29

Hier gibt es was zum Thema Traggelenke. Ich schrieb ja schon an anderer Stelle, dass nach meiner Einschätzung diese Teile nicht durch normalen Gebrauch verschleissen, sondern durch Mißhandlung auch infolge von Fehlkonstruktion.
Ich will die Gelenkköpfe mal ganz ausser acht lassen, die inzwischen gern, von Profikonstrukteuren aber ungern verwendet werden, weil es herstellerseits meist keine Angeben zur Axialbelastung gibt.

Beide Sorten sind dennoch ähnlich. Es gibt sie mit Vollüberdeckung aus PTFE und teilüberdeckt mit Lagersitzringen aus Stahl oder aus Bronze. Letztere sind bei Traggelenken einseitig durch einen Deckel geschlossen.
Im Bereich der Gelenkköpfe sind auch Zwitter erhältlich, beidseitig Lagersitzringe, dazwischen PTFE Mäntel für die Kugelköpfe.

Das Problem bei all diesen Teilen ist der Nutzwinkel. Je dünnder der Kugelhals, desto größer der Neigungswinkel, desto geringer die Belastbarkeit.

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Hier die Folgen der Misshandlung: Der Stitzring hat Druckstellen vom Überschreiten des max. Winkels. D.h.: im inneren gibt es ebensolche Druckstellen am PTFE Mantel, es hat da einfach ein Mörser mit Hebelübersetzung in eine Plastikkalotte gedrückt. Übeltäter war möglicherweise ich selbst, vlt. auch schon der Vorbesitzer. Ich hatte noch so ein Teil auf Vorrat, sonst hätte ich kein Wort darüber verloren und wäre auf gut Glück zum TÜV gefahren. Denn: das Spiel, das durch die Misshandlung entstanden ist, liegt im Bereich von 0,1mm. Direkt an der Radnabe! Hallo? Wenn ein Telgabel- oder V-Schwingenfahrwerk 0,1mm Spiel am oberen Lenkkopflager hat, ist an der Radnabe gleich das vier- bis zehnfache Spiel. Theretisch also einfach vergessen, man hört es halt knacken, wenn man es drauf anlegt und die richtigen Bewegungen macht.

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Hier sieht man Trag- und Führungsgelenk, wie sie auch von ambitionierten Gespannbauern verbaut werden, gell Walter? Tatsächlich hat die Yamaha Konstruktion gar keinen separaten Anschlag. Nimmt man das Federbein heraus ohne das Vorderrad hinreichend zu unterbauen, tritt genau besagter Misshandlungsfall ein.

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Auch im Normalzustand aufgebockt ist das obere Führungsgelenk bereits an seiner mechanischen Grenze. Bei Achsschenkelgespannen passiert das ganz schnell voll ein- oder ausgefedert mit vollem Lenkeinschlag. Ansonsten: geschmiert und geschont halten die Teile ein ganzes Fahrzeugleben.
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Re: Kugelgelenke

Beitragvon W-L » 5. Juli 2015 00:21

Hallo Olaf,

wenn du mich schon direkt ansprichst, sehe ich mich natürlich gemüßigt, mich auch zu diesem Thema zu äußern.

Wie du schon zutreffend anmerktest, verwende ich für meine Vorderradführungen weder Gelenkköpfe nach DIN 648 (Uniballgelenke mit Gewindeanschluss) noch Spurstangenköpfe, sondern nur Traggelenke, wie sie auch im Pkw im unteren Querlenker eingesetzt werden. Einen grenzwertigen Knickwinkel wie bei deiner Yamaha wirst du bei meinen Konstruktionen noch nicht einmal ansatzweise finden.

Deiner Schadenanalyse möchte ich noch hinzufügen, dass nicht nur der Gehäuserand und das Lagermaterial durch einen überdehnten Knickwinkel geschädigt werden, sondern auch der sich zur Kugel hin verjüngende Lagerzapfen des Gelenkes, der sich ja zwangsläufig am Gehäuserand abstüzt und dadurch einer enormen Biegebelastung unterliegt. Von einer deutliche Überschreitung der zulässigen Materialspannungen kann ausgegangen werden.
Ich würde einen Gelenkkopf mit diesem Schadensbild aus Sicherheitsgründen umgehend ersetzen.

Gruß
Walter
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Re: Kugelgelenke

Beitragvon Crazy Cow » 5. Juli 2015 01:00

W-L hat geschrieben:Ich würde einen Gelenkkopf mit diesem Schadensbild aus Sicherheitsgründen umgehend ersetzen.


Das habe ich ja getan. Ich weise hiermit nochmals darauf hin, falls diese Aussage oben zu kurz gekommen ist. Auch wollte ich gerade dir nicht unterstellen, dass du nicht bei der Konstruktion die Kinematik durchgehst. Ich fand nur das Foto interessant als Beleg dafür, dass das schon nötig ist. Ich habe dich angesprochen, weil du doch sehr kritisch zwischen den Funktionen von "Kugelgelenken" zu unterscheiden weißt. Nix für ungut.
Leider gibt es im Automobilbereich, wo mit ganz anderem Aufwand konstruiert werden kann, auch immer solche Zitronen, bei denen die Gelenke nur 20tkm halten.
Man muss der Yamaha zugute halten, dass sie als Solomaschine vorn einen ganz anderen Federweg zu Verfügung stellt als ein Gespann. Ich habe noch kein Foto vom oberen Anschlag, aber ich nehme an, dass der Winkel aus dem Datenblatt schon entsprechend ausgeschöpft wird. Es hat aber weder Schäden noch Spiel und doch eine beachtliche Laufleistung hinter sich.
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Re: Kugelgelenke

Beitragvon bf109v7 » 5. Juli 2015 02:00

Ich habe auch schon einige Kugelgelenke (Traggelenke) gesehen, wo der Kugelhals nicht durch ein rundes Loch, sondern durch ein Langloch geht. Da aber eine Manschette darüber sitzt, kann man das nicht sehen. Wenn man die nicht in der richtigen Stellung einbaut, bricht auch der ab.
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Re: Kugelgelenke

Beitragvon Crazy Cow » 5. Juli 2015 11:29

Ich will das nicht verharmlosen und auch nicht gegen den Dubbel argumentieren, macht man nicht und man steckt auch nicht drin. Nicht im Bauteil und nicht in der Fertigungstechnik des Herstelleres. Der Begriff "Bruch" ist gültig auch wenn das Teil nicht bricht, sondern sonstwie kaputt geht, keine Frage. Nur handelt es sich hier um Schmiedeteile, sowohl beim Gehäuse als auch beim Zapfen. Es soll nicht der Eindruck entstehen, dass die Kugel einfach vom Hals abbräche. Davon habe ich noch nie gehört.
Auch die Verteufelung von Billigkram wie vollüberdeckte Kugel mit PTFE Schale im Stahlgehuse ist nicht angebracht. PTFE ermöglicht die beste Passform in Verbindung mit der Festigkeit. Erst die Vollüberdeckung erlaubt es, den unteren Sitzring möglichst knapp zu gestalten, so dass der Zapfen einen ordentlichen Bewegungswinkel bekommt. Dieser Ring ist halt weicher als die Kugel weil er sich letztlich noch minimal ein zu schleifen hat, denn erwird an die Kugel angeschmiedet. Er kann imho in erster Linie verhindern, dass der Zapfen bei Verschleiß oder Überlastung nach unten aus dem Gehäuse flutscht. Das setzt aber voraus, dass das Element eben auch richtig herum montiert wird, wie bei der Yamaha eben. Die Last drückt die Kugel in die Pfanne und nicht aus dem Gehäuse heraus.
Ich gehe also davon aus, dass die Vollüberdeckung nicht die Funktion des Staub- oder Schmierschutzes hat, sondern dass sich ein möglichst großer Teil an Lagerschalenpassform oben geholt werden muss, wenn die untere Lagerschale aufgrund großer Winkelvorgaben weit geöffnet wird.

Die Kombination von weichen und harten Materialen bringt zwar einen geplanten Verschleiß mit sich, reduziert aber die "Bruch"-Gefahr erheblich. Ein verschlissenes Teil kann man ersetzen, die Folgeschäden bei verschleissfrei angelegten (aber schlecht geschmierten) Teilen, an benachbarten Bauelementen ist hingegen nicht kalkulierbar.

In diesem Zusammenhang: Hier reiche ich Fotos nach. Das untere Traggelenk bei der Side-Bike Mega GTS ist ein Vollmetall Spurstangenkopf Stahl/Stahl aus dem Traktor- bzw. LKW Bereich. Im Bruchtest den meisten PKW Traggelenken sicher überlegen, aber: der Zapfen ist in eine Exzentermuffe gesteckt, die es erlaubt, den Zapfen aus zurichten. Diese Vorrichtung, unzureichend beschrieben, wird gern und oft als Nachlaufverstellung beschrieben bzw. gedeutet. Das ist aus meiner Sicht falsch. Der Nachlauf wird mit dem oberen Führungsgelenk gleicher Bauart durch heraus- oder hineindrehen des Gewindes verstellt. Der Exzenter unten hat die Aufgabe, nach dieser Verstellung den unteren Zapfen auf den oberen auszurichten. Sonst passiert genau das was ich oben beschrieb. Am Lenkanschlag hat man bereits eine Radialbelastung auf den Lagerschalen. Der Umstand, dass diese Teile oft nur 30tkm halten, ist imho genau darauf zurück zuführen, nicht nur auf mangelnde Schmierung. Das Ausrichten des Exzenters ist kein Spaziergang, wenn die Schrauben erst einmal angegammelt sind. Man kommt schlecht ran und das Vorderrad muss demontiert werden, aber es lohnt sich schon. Vlt auch ruhig mal mit gelösten Schrauben und altem Gelenkkopf beobachten, was passiert, wenn man einlenkt.
Wie gesagt, am Foto wird es deutlicher.
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Re: Kugelgelenke

Beitragvon Stephan » 5. Juli 2015 16:59

Vielleicht solltest du den Begriff "Kugelgelenk" durch Bilder mal präzisieren, Olaf.

Mir fallen da auf Anhieb zwei verschiedene Bauarten ein, welche unter dem Namen laufen könnten. Einmal die Art, welche z.B. BMW beim Schaltgestänge verbaut. Da würde eine Aussage "...Pfanne..." treffen.

Aber auch sind "Kugelgelenke" bei vielen Gespannen an den vorderen Bremsen bei den Drehmomentstützen verbaut. . .


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Re: Kugelgelenke

Beitragvon Crazy Cow » 5. Juli 2015 19:37

Die Überschrift "Kugelgelenke" war meinerseits reine Provokation, weil der Begriff im technischen Volksmund und neuerdings im Handel verwendet wird. Denn der Handel will ja, dass der Volksmund, der die technisch richtige Bezeichnung nicht kennt, trotzdem die Produkte kauft.
Ich hatte neulich so eine Diskussion mit meinem Verleger. Schreibste Volksmund, versteht es jeder, aber du wirst eben angreifbar. Schreibste technisch richtig, liest sich der Text wie ein Patentantrag und man versteht ihn erst beim zweiten Mal. Ich bin aber heimlich ein Vertreter der Patentschriftfraktion.
Fangen wir mal mit dem ersten an: Dir ist vlt. aufgefallen, dass ich zwischen Trag- und Führungsgelenken unterscheide. Ist technisch eigentlich nicht nötig, weil beide die gleiche Bauart haben. Führungsgelenke können aber schwächer dimensioniert werden und was mir wichtig ist, Traggelenke wie die in den Fotos oben dürfen nach meinem Dafürhalten auch verkehrt herum montiert werden, wenn sie nur die Aufgabe einen Führungsgelenkes übernehmen, also keine axialen Kräfte auf den Zapfen wirken.
Typisches Beispiel ist Walters Achsschenkellenkung. Tatsächlich übernimmt der obere Längslenker die tragende Funktion, indem er über eine Umlenkung das Federbein gegen das Chassis abstützt. Oben ist es auch nicht so schwer, ein Traggelenk aus der Automobilindustrie wie beim PKW einmal vorgesehen zu montieren. Man kann sich also auf bekannte Zahlen stützen. Entsprechend filigran kann aber auch der untere Dreieckslenker ausfallen, weil er "nur" Brems- und Querkräfte auf zu fangen hat, nicht aber das Fahrzeug tragen muss. Entsprechend ist das "Kugelgelenk", die Verbindung zum Achsschenkel (das ist der Radträger) eben nur ein Führungsgelenk, bei dem man sich keine großartigen Gedanken über die axiale Belastbarkeit machen muss. Bei der Side-Bike FJ 1200 ist es ähnlich. Bei den meisten anderen Achsschenkelgespannen aber nicht, ja vlt. sogar das eine oder andere Mal als haarestreubend zu bezeichnen, um bei der Provokation zu bleiben. Ich habe den Titel so gewählt, um einen Einstieg in die Thematik zu finden und du hast als erster wirklich angebissen, Stephan. Vielen Dank. "Traggelenke" hätten nicht wirklich die Leser interessiert, wenn sie keine haben. Aber mir ist an dem Thema gelegen.

Vlt. hätte Walter den Schwerpunkt oder den Ansatz seiner Konstruktion selbst anders beschrieben, ich wollte dem nicht vorgreifen. So stellt sie sich halt dem technisch interessierten Betrachter dar, und so lässt sie sich in einem Absatz beschreiben.

Die anderen Dinge vlt. nach den nächsten Einwänden, mir wird es im Moment etwas zu warm.
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Re: Kugelgelenke

Beitragvon Crazy Cow » 6. Juli 2015 00:38

Hier übrigens mal ein Bild von dem Yamaha Traggelenk, das ich vor ein paar Jahren einmal prophylaktisch erworben habe. Falls einer meint: "Spurstangenkopf", nix da, ganz typisch das einseitig geschlossene Kugelgehäuse, (Negerkusskopf) das von der Last- also der Druckseite her beschickt und verschlossen wurde.
Bild

Es gibt nur ganz wenige PKW, die zwei Dreieckslenker pro Rad haben. Die meisten anderen haben das Traggelenk, eigentlich ein tragendes Gelenklager in der Domplatte des Mc Pherson Federbeines. Die preiswert käuflichen Gelenke an den unteren Dreieckslenkern eines PKW sind also schnöde Führungsgelenke.
Der VW Bus T3, T4 hingegen hatte noch zwei Dreieckslenker pro Rad. Interessant ist, dass jeweils ein Gelenk wie im Bild von unten, das andere aber von oben beschickt ist. Ich kann zu der Tragfähigkeit der einzelnen Konstruktion nichts sagen, aber es ist mir auf gefallen und es erscheint mir unter dem Aspekt der "Flugsicherheit" logisch. Im Überlastungsfall geht schlimmstenfalls ein Bauelement wieder an der Stelle auf, an der es verschlossen wurde.

Und so sieht ein Gelenk aus, das von oben beschickt wurde. Auffällig ist hier, dass das Kugelgehäuse an der offenen Seite bearbeitet werden kann. Quasi nach Kundenwunsch der Bewegungswinkel verändert. Je größer der Bewegungswinkel, desto geringer die Zugbruchlast. Vlt. weiß jemand mehr dazu. Wir haben hier ja VDA-ler.
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