Ich hatte noch ein paar Lenkergriffe liegen und einen Auspuff. Der hat keine E1 Typierung und ist offensichtlich etwas umgearbeitet. Den hatte ich mit Antiblau auf Vordermann gebracht und wollte beides meiner Solo angedeihen lassen, mit der ich auch gern mal wieder einen Ausflug unternehmen wollte.
Ich bin da nicht mehr ganz frei von Skrupeln, nachdem ich vor sieben Jahren abgeschossen wurde und letztes Jahr mein schwergewichtiges Schätzchen im Stand umgeworfen habe, oder besser sie mich.
Schau mir also alles an und denke noch: "solange von außen nichts kommt". Ist dann schön gelaufen, die EFI. An Frankfurt vorbei, Langer, ich schau beim nächsten Mal herein
Im Oldtimercafe, neuer Wirt, die gleichen Torten, aber die Stücken kamen mir größer vor. Pott Kaffee an Donauwelle, tadellöser. Das ganze bei herrlichem Wetter. Falcone getroffen, nach Jahren mal wieder, und auch andere Leut aus vergangener Zeit. Man merkt dass man älter wird.
Zurück zu Südkurs gewählt, über die Käffer, in denen Samstag abends junge Bauernmädchen mit Kopftuch den Hof kehren, bevor sie sich für die Disco fein machen. (Sagt man heut´auch nicht mehr, oder?) Vlt. erinnert sich einer an die Ausfahrten vom Oldtimercafe aus?
Ja gut, so schweift man ab. Und genau so merkte ich, dass ich müde wurde, es war ja auch alles so wie es sein sollte, eher besser. Ich hielt also kurz vor der Bahn, um noch mal einen Schluck Eistee und einen Schwyzer Chräutr Zuckr nach zu legen, es waren ja schon fast 200km in der Sonne gefahren und zuletzt auf dörflichen Straßen abgespult. Ich legte mich also in die Kurve der Autobahnauffahrt und gab Gas. Nein, auch hier war noch alles in Ordnung. Flugs war ich in Hanau vorbei, wo der Verkehr sich spürbar verdichtete. Ich glaube, das Phänomen "Landflucht" lässt sich wunderbar auf solch einer samstäglichen Fahrt beobachten.
Ja, beobachten, das ist das Stichwort. Während ich allgemein, wenn mit der Solo unterwegs, jeden anderen Verkehrsteilnehmer als Feind und potentiellen Mörder und Gewalttäter betrachte, fuhr ich heute einfach an ihnen vorbei, ohne ihnen besondere Beachtung zu schenken. Verkehr dicht, links 120 rechts 100, ich links. Im Nachhinein würde ich sagen, ich träumte an ihnen vorbei.
Bamms!
Das Auto vor mir schlingert, weicht aus und in diesem Moment sehe ich zwei Torfballen auf mich zu dotzen. Ich hatte das Fahrzeug auf der rechten Spur nicht beachtet. Ein Kompaktwagen (Skandalklasse) mit Anhänger. Verdammt, wenn Samstags um halb sieben abends ein solches Fahrzeug über die Bahn rappelt, dann schaut man, was auf dem Anhänger steht und was er geladen hat. Dann weisst du auch gleich, welche Schlafmütze die Ladung gesichert hat. Auf dem Anhänger war "Bauhaus" zu lesen und die Torfballen waren einfach auf die Pritsche gestellt. Ein potentieller Mörder, ein Gutmensch der unter der Woche einer geregelten Arbeit nach geht und am Wochenende versucht, mit zwei linken Händen seiner Familie was an Haus und Garten zu sparen.
Scheisse. Wir waren bei Bamms.
Ich kann nicht mehr genau sagen, was ich in welcher Reihenfolge tat. Erst mal bremsen, ich kann mich an kein Ausweichmanöver erinnern, wohl aber daran, dass die Drecksballen nicht aufhören wollten zu springen, dass ich keine Idee davon entwickeln konnte, wo sie beim nächsten mal landen würden. Fragt nicht, was ich gedacht habe, ich weiß es noch, vollkommen absurd.
Die Ballen hoben übrigens immer zur gleichen Zeit ab und schlugen ebenso gleichzeitig wieder auf. Manchmal werfe ich mir selbst zu zögerliche Reaktion vor, in diesem Fall muss ich aber einräumen, bis dahin war alles richtig. Bei einem Ausweichmanöver hätte mich jetzt einer der Ballen abgeschossen. Es war aber inzwischen zu spät, sinnvoll zu reagieren, sie dotzten immer noch auf mich zu. Beim letzten Hüpfer passierte etwas seltsames: Der linke Ballen sprang nach links und der rechte nach rechts und ich
fuhr mittendurch.
Glück gehabt, einfach nur Glück gehabt. Ich fuhr zu dem verträumten Ehepaar mit getunten Bärten vor, hupte rhytmisch und gestikulierte bedrohlich, sie blickten vollkommen entgeistert, sie hatten von alledem nichts bemerkt. Es ging alsbald ihr Warnblinker an und sie fuhren auf den Standstreifen. Hätten sie mal während ihrer ganzen Fahrt machen sollen.
Sie hätten auch nicht bemerkt, wenn ich zu Fall gekommen wäre, oder schlimmeres passiert. Vor uns liegt das Glück, für uns gibt es kein zurück. So oder so ähnlich.
Ich war nicht zufrieden mit mir, keine Anzeichen von Schweissausbruch oder Adrenalinüberschuss, die ich von früher her kenne, bezichtigte ich mich, nichts unternommen zu haben, der Situation zu entrinnen und trotzdem war es mir doch gelungen. Gibt es sowas wie Überreaktion? Wird man mit zunehmendem Alter cooler oder einfach nur träger?
Was denkt man nun in so einem Moment kurz vor dem Sturz? Nein, es lief nicht mein Leben vor mir ab, die ganze Geschichte hat vielleicht zwei bis drei Sekunden gedauert, ich weiß nicht, ob mir in der Zeit alles eingefallen wäre. Als ich das Unheil kommen sah, habe ich mich gefragt, ob es wohl eine Chance gäbe weich zu fallen, da es sich doch um Torf handelte.
Möglicherweise war ich einfach nur zu warm angezogen für solch einen Tag.
Jedenfalls kriegt ein LKW Fahrer Fahrverbot, bis er seine Ladung ordentlich gesichert hat, wenn er schlampert erwischt wird und eine empfindliche Geldstrafe. Privatleute hingegen dürfen mit einer nach Anbauanleitung nachgerüsteter Anhängekupplung, die nie einen TÜV gesehen hat, mit einem geliehenen Autoanhänger, der ohne Inspektion einfach von Kunde zu Kunde weiter gereicht wird, mit einer Fahrerlaubnis zu deren Prüfung sie nie einen Anhänger bewegen mussten und einer Ladung, zu deren Sicherung es keine Unterweisung oder Kontrolle gab über die Piste brackern und harmlose Motorradfahrer bedrängen.
Ich sach dir: Autofahn is wie Fernseh, durch die Scheibe betrachtet ist alles viel weniger real.




